Senegambien – Teil 1

18. Juni 2021

So nannte man früher das Gebiet der Länder, die nach den Flüssen Senegal und Gambia benannt sind. Der Staat Senegal war französische, der Staat Gambia englische Kolonie. Besucht man den Senegal, so landet man üblicherweise in seiner Hauptstadt Dakar. Es bildete früher die Hauptstadt von französisch Westafrika, und ist heute noch bedeutender Handelsort und Verkehrknotenpunkt des riesigen Gebiets zwischen Marokko und der Elfenbeinküste. Dementsprechend großzügig und geschäftig präsentiert sich die Stadt dem Reisenden mit modernen Bauten und Gebäuden aus der französischen Zeit. Vor Dakar liegt die kleine Insel Gorée im Atlantik. Sie erinnert mit Palmen, bunten Häusern und viel Blumenschmuck an eine südfranzösische Kleinstadt. Dahinter verbirgt sich ein finsteres Kapitel der Insel. Sie diente als einer der wichtigsten Sklavenumschlagplätze für Amerika. Eine kleine Festung gibt dafür trauriges Zeugnis. In ihr wurden die Sklaven unmenschlich eingepfercht. Viele starben. Die Überlebenden wurden durch die Tür ohne Wiederkehr auf die Schiffe nach Amerika getrieben. (Nicht zur Entschuldigung der unsäglichen Verbrechen von den Weißen, sondern zur historischen Wahrheit: Am Sklavenhandel beteiligten sich viele Schwarze. In Afrika macht man daraus keinen Hehl.)

Wir werden auf den verbrecherischen Menschenhandel noch an anderer Stelle treffen. Nun aber zur Begegnung mit schöneren Apekten des Landes. Einige Kilometer nördlich von Dakar erhebt sich ein ziemlich scheußliches Riesendenkmal, das von Nordkorea erbaut wurde und mit einer nach vorne oder oben strebenden Familie die afrikanische Wiedergeburt bezeugen soll. Etwas weiter liegt der von Algen leicht rosa gefärbte Salzsee Lac Rose. Er bildete früher den Endpunkt der Rallye Paris-Dakar. Heute dient er nur noch zur mühsamen Salzgewinnung. In der Nähe erstreckt sich hinter Dünen fast unendlicher unberührter Sandstrand. Etwas entfernt von der Küste wachsen überall die bizarren Baobabs oder Affenbrotbäume mit ihren Kronen, die Wurzelwerk sein könnten. Der Baobab ist anscheinend der Nationalbaum des Senegal. Weiter im Norden an der Mündung des Senegalflusses und der Grenze mit Mauretanien erreicht man ein Juwel der Natur: den Nationalpark von Djoudj. Er besteht aus einem riesigen Sumpfgebiet mit Inseln und Kanälen. Der Park ist ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel. Er beherbergt Schakale, Antilopen und Warzenschweine. Seine Hauptattraktion ist die gewaltige Menge an Vögeln. Vom Boot aus sieht man überall Löffler, Reiher, Kormorane, ihre größeren Verwandten Schlangenhalsvögel und Pelikane. Als der Unterzeichner im Park unterwegs war, befanden sich dort ca. 14 000 Pelikane. Sie flogen in regelrecht militärisch ausgerichteten Schwärmen über ihm, landeten spritzend vor und neben seinem Boot und übersäten das Wasser in großen Gruppen. Ein beeindruckendes Schauspiel, das in Erinnerung bleibt.

Eine weitere Sehenswürdigkeit liegt einige Kilometer entfernt am Senegal: die Stadt St. Louis. Sie war die erste Hauptstadt von französisch Westafrika und Lande- sowie Startpunkt für frühe Interkontinentalflüge Europa-Westafrika-Südamerika. Viele Kolonialgebäude, geschäftige Märkte, bunte Fischerboote am Senegalufer, Eselskarren und phantasievoll bemalte sowie verbeulte Busse tragen zum nostalgischen Charme der Stadt bei. Wichtigste Sehenswürdigkeit bildet eine über 500 m lange Brücke aus Eisen über den Senegal, eine kurz vor 1900 im Stil von Gustave Eiffel erbaute und nach dem früheren Gouverneur Faidherbe benannte Überquerung des Senegalflusses.

Weiter südlich erstrecken sich bei dem Ort Lompoul die Dünen einer kleinen Sandwüste. Ihre Entstehung ca. 150 km von der Sahara entfernt bleibt unklar. Von dort aus führt der Weg durch die glühend heiße Ferlosavanne ins Landesinnere zur Mouridenstadt Touba. Bei den Mouriden handelt es sich um eine  sittenstrenge, aber nicht intolerante moslemische Bruderschaft. In ihrer Stadt sind Alkohol, Rauschgifte und Nikotin verboten. Die Bedeutung der Mouriden drückt sich in ihrer prächtigen Moschee aus. Sie soll nach Casablanca die zweitgrößte in Westafrika sein. Auch Nichtmuslime dürfen sie in dezenter Kleidung mit einem einheimischen Führer betreten.

Am Rande der Ferlosavanne ist das Schutzgebiet von Bandia einen Besuch wert. In lichtem Wald mit zwei Seen wurden Tiere angesiedelt, die man früher öfter im Senegal antraf. Krokodile, Giraffen, Zebras, Impalas, Büffel, Breitmaulnashörner, Elenantilopen, Warzenschweine, die seltenen Pferdeantilopen, Strauße und Meerkatzen versetzen den Besucher in das wildreichere Ostafrika. In dem Schutzgebiet liegt eine Besonderheit, Gräber der Griots. Sie waren so etwas wie Bänkel- und Hofsänger und galten (gelten?) halb als Heilige. Sie hielten mit ihren Gesängen zur Kora, einer 21-saitigen Harfenlaute, Tradition und Geschichte lebendig. Die Griots wurden in hohlen Baobabs beigesetzt.

Südlich von Dakar erreicht man die Mangrovenküste bei dem Ort Joal Fadiouth. Dort wurde der erste Präsident des Senegals, der hoch geachtete Schriftsteller und Philosoph Leopold Sedar Senghor, geboren. Ein kleines Museum erinnert an ihn. Zu einem Teil der Ortschaft führt ein hölzerner Brückensteg auf eine Insel. Der Inselboden wird von Muschelschalen bedeckt. Angeblich besteht die ganze Insel aus ihnen. Das Dorf teilen Christen und Moslems einander. Eine weitere Holzbrücke führt zur nächsten Insel. Sie beherbergt einen von beiden Religionen genutzten Friedhof. – So weit das Auge reicht, reihen sich Mangroveninseln aneinander. Der Verlauf der gesamten Küste nach Süden wird von einem Gewirr an Kanälen sowie Mangroven auf Inseln und im flachen Wasser bestimmt. Im Sine-Saloum-Delta kann man in diesem Labyrinth nicht feststellen, was Teil der beiden Flüsse, was Meeresarm ist. Alles wird bevölkert von einer dichten Vogelwelt.

Text/Bilder: UM

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