Gedanken zur Zeit

18. Mai 2021

Befasst man sich mit der derzeitigen Meinungsvielfalt zur Coronapandemie, so findet man ein gewaltiges Durcheinander. Jeder hat Analysen und Vorschläge zur Bekämpfung  bei der Hand. Jeder weiß es besser und hält sich für einen „kundigen Thebaner“. Das Dumme nur besteht darin, dass viele der Vorschläge einander total widersprechen: Schulen öffnen, Schulen schließen, Lockdown verschärfen, Lockdown lockern, Reisen zulassen, Reisen verbieten und so weiter und so fort. Nur in einem findet man in öffentlicher und veröffentlichter Meinung eine erhebliche Übereinstimmung: Wir werden, krass ausgedrückt, von Ignoranten und Kretins, noch volkstümlicher gesagt, von Dumpfbacken und Unfählingen verwaltet sowie regiert.

Zweifellos ist die Frage berechtigt, ob der Inzidenzwert von 100 wie ein Heiliger Gral der Entscheidung wie die Scheidewand zwischen Licht und Finsternis gelten muss. Sollte der Wert nicht niedriger oder höher liegen? Ist vielleicht die Sterberate wichtig, die Altersverteilung, die Stadt-Landverteilung oder die Bebauung?

So gut wie sicher ist jedoch, dass die Impfrate äußerst bedeutsam ist. Dennoch war es zunächst schwierig zu erfahren, wann und wo man sich impfen lassen kann. Anfänglich erzeugte der Versuch, in den vom Land Niedersachsen erstellten Registern einen Impftermin zu erhalten, erhebliche Frustrationen und als deren Folge auch Aggressionen. Diese verschwanden aber beim Unterzeichner, nachdem er und seine Frau einen Termin erhalten hatten. Dann klappte es wie am Schnürchen. Besser als im vom Kreis Emsland eingerichteten Impfzentrum Papenburg konnte es nicht funktionieren. Vom höflichen Empfang über ärztliches Gespräch, Impfung und Verabschiedung kann man nur sagen: ausgezeichnet.

Diese Erfahrung beim Impfen bestärkt den Verfasser in seiner Meinung, dass im Verwaltungs- und Staatshandeln alles, was auf unterer Ebene getan werden kann, dort zu geschehen hat. Dieses sogenannte Subsidiaritätsprinzip wird in der Politik ständig beschworen, jedoch noch häufiger gebrochen.

Die gesamte Pandemiekrise und ihre Bewältigung dürften über Jahre Stoff bieten für Doktorarbeiten und Habilitationsschriften verschiedener Wissenschaftsbereiche. Dabei wird mit erheblicher Wahrscheinlichkeit unter anderem herauskommen, dass auf jeder Entscheidungsebene von Europäischer Union über Staats- und Landesregierungen sowie bei allen anderen Entscheidungsträgern die jeweilige Entscheidung meistens von Verantwortung und Sachrationalität geprägt war, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung diese nach dem jeweiligen Wissensstand in der Regel vernünftig war. Heute im Nachhinein lässt sich bei einigen Entscheidungen sagen, man hätte auch eine der anderen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wählen können. Ob sie besser gewesen wäre, bleibt unbekannt. Das bedeutet, wir werden nicht von Dumpfbacken und Unfählingen regiert. Es wurde jedoch vermutlich von und an zu vielen Stellen geprüft und entschieden. Es wurde von zu vielen mit viel gutem Willen zu viel organisiert. Wir haben es mit gut gemeinter Überorganisation zu tun. Und Überorganisation zählt in der Soziologie zur sozialen Desorganisation. Die  menschliche Erfahrung drückt dies einfacher aus: Zu viele Köche verderben den Brei. Zum Schluss noch eine Anmerkung: Weder Wissenschaftler, noch Politiker, noch „normale“ Menschen, also niemand weiß genau, wie mit Corona und Pandemie am besten umzugehen ist. Zu viele geben es nur nicht zu. Der Unterzeichner tut dies.

Text/Foto: UM

© 2010 Forum Sögel e. V.
Information | Geschichte | Zukunft