Zentralasien – von Aschgabat nach Almaty und einem Unesco-Weltkulturerbe zum nächsten

1. Februar 2021

Da der Autor wegen der Coronapandemie nicht mehr reisen kann, greift er für seine Berichte auch auf Reisen zurück, die weiter zurückliegen, aber nicht weniger interessant sind. Dabei achtet er darauf, dass seine Schilderungen den heutigen Zuständen entsprechen.

Aschgabat, die Hauptstadt Turkmenistans, liegt nahe der persischen Grenze und mitten in dem Wüstengürtel, der sich mit einigen Unterbrechungen vom Kaspischen Meer bis in die Mongolei und fast vor die Tore Pekings erstreckt. – Turkmenistan bildete früher das Armenhaus der Sowjetunion. Sein erster Präsident, der ehemalige Sowjetfunktionär Turkmenbashi (Vater der Turkmenen), wollte es dank riesiger Erdgasvorkommen zum Kuwait Mittelasiens machen. Mit den Einnahmen verwandelte er Aschgabat zu einer protzigen Metropole mit breiten Boulevards, Parks und Marmorbauten. Seine Selbstdarstellung wird vermutlich noch nicht einmal von nordkoreanischen Machthabern übertroffen. Seiner Mutter errichtete er eine prächtige Grabmoschee mit eigenen Sprüchen – ein Sakrileg im Islam. Er ließ lt. verschiedenen Berichten ein eigenes Buch mit Schilderungen der Weltgeltung der Turkmenen mit einem Satelliten in den Weltraum schießen, damit es 150 Jahre die Erde umkreist. Das ganze Land soll er mit 3000 Goldstatuen seiner selbst überzogen haben. Die Hauptstadt schmückt auf einem hohen Sockel eine goldene Statue von ihm, die mit dem Gesicht dem Lauf der Sonne folgt. Nachts wird sie in wechselnden Pastellfarben mystisch überhöht. – Überflüssig zu erwähnen, dass man einen solchen Personenkult nur betreiben kann, wenn man das Land mit harter diktatorischer Hand regiert. Turkmenbashi verstarb vor einigen Jahren. Die Regierungsform blieb.

Nahebei liegt die Weltkulturerbestätte Nisa. Sie war Hauptstadt der Parther. Mächtige Mauern aus Stampflehm umgaben sie. Ihre Häuser und Paläste stehen für den hohen zivilisatorischen Standard der Parther ebenso wie die Funde von Statuen und Gebrauchsgegenständen im parthischen, hellenistischen und achämenidischen (altpersischen) Stil.

Ein Flug über das Land bringt den Unterzeichner im Norden zu einem weiteren Weltkulturerbe, nach Kohne Urgentsch, am Rande der Wüste Karakum. In diesem unwirtlichen Gebiet existierte eine wichtige Stadt des Reichs Choresm. Der Ort existierte bereits einige Jahrhunderte vor Christo. Später wurde er reich als Handelsposten der Seidenstraße. Heute sieht man davon nur noch einige Bauten in der Wüste: das Mausoleum des Sultans Tekesch, das Minarett Kutlug Timur, das Tor der Karawanserei u. a. m.

Die nahe Grenze nach Usbistan kostet Zeit und Nerven. Dafür wird man mit der orientalisch traumhaften Oasenstadt Chiwa (Weltkulturerbe) entlohnt. Sie war auch Teil des Reichs Choresm und wurde durch den Seidenstraßenhandel wohlhabend. Dies kann man heute noch an ihren dicken Mauern, der Zitadelle Konya Ark, an aufwändig verzierten Palästen, Moscheen und Medressen (Koranschulen) ablesen.

Weiter führt der Weg über den Fluss Amurdarja durch die große Wüste Kizilkum nach Buchara. Die Altstadt ist, wie kann’s anders sein, Weltkulturerbe. Buchara existierte vermutlich schon in vorchristlicher Zeit. Es gibt Hinweise auf die graeco-baktrische Kultur, also auf den hellenistischen Einfluss seit den Eroberungen Alexanders des Großen. (Alexander fand hier im Übrigen seine Lieblingsfrau, die baktrische Prinzessin Roxane.) Nach der Mongolenzeit existierte ein Emirat Buchara, bis es im vierten Quartal des 19. Jahrhunderts von Russland erobert wurde. Noch heute ist in der gesamten Region der sunnitische Islam die vorherrschende Religion. Der russische Einfluss ist jedoch präsent in Form orthodoxer Kirchen und russischer Bevölkerungsanteile. Buchara wird aber dominiert von Moscheen, Medressen sowie Palästen mit Liwanen. Liwane oder Iwane sind Empfangshallen, die als spitzbögige Tore nach außen offen sind. Sie gehen auf die Parther zurück. – Ein Hinweis darauf, dass im Orient nichts in Vergessenheit gerät. – Nach Besichtigung der vielen Kulturdenkmäler sollte man den Tag an einem künstlichen See im Zentrum ausklingen lassen und in milder Abendluft das faszinierende orientalische Treiben genießen.

Um ein weiteres Etappenziel zu erreichen, muss man lange durch Trockensteppen fahren. Immer wieder erspäht man Jurten (runde Wohnzelte), Ruinen von Karawansereien, große überkuppelte Bauten mit kühlem Wasser, gelegentlich Grabsteine mit eingeritzten Gesichtern. Sie werden den Skythen zugeschrieben. Dann erreicht man Samarkand (Weltkulturerbe), die Hauptstadt von Timur Lenk. Etwas verblüffend ist, dass dieser Mordbrenner und Weltenzerstörer überall verehrt wird. Am Sarg in seiner reich verzierten Grabmoschee beten die Einheimischen. (Es könnte allerdings einen Usbeken verwundern, dass der Sachsenschlächter und Dauerkrieger Karl der Große heiliggesprochen wurde und zudem als Vater Europas verehrt wird.) Samarkand bietet wieder viele blau gekachelte Moscheen, Medressen und Paläste. Als Besonderheit sticht das spätmittelalterliche Observatorium des Timuridenfürsten Ulug Beg hervor.

Höhepunkt von Samarkand ist natürlich der weltbekannte Registan. Ein viereckiger Platz ist von drei großen und prachtvollen Moscheen umrahmt und zu einer Seite offen. Dort setzt man sich am besten hin und lässt den Gesamteindruck auf sich wirken, ehe man näher herangeht, um Details zu bewundern.

Um Taschkent, die Hauptstadt Usbekistans, zu erreichen, gilt es, die Hungersteppe zu durchqueren. In Tachkent gilt es wieder Moscheen, Koranschulen und ein Museum zu besuchen. Dann fliegt der Unterzeichner nach Bischkek, Hauptstadt von Kirgisistan, und landet aus Frühsommertemperaturen kommend in Schneegestöber. Bischkek ist eine grüne Industriestadt. Sie verfügt über Theater, Museen und einen lebendigen Basar. Während der Weiterfahrt im Land passiert man Kurgane, Hügelgräber, die bis nach Osteuropa vorkommen. Sie sind bis in die Kupfersteinzeit nachweisbar. Vorher hat ein Abstecher über die Grenze nach Tadschikistan geführt in ein landschaftlich schönes Bergtal mit sieben wunderbaren Seen. Das in freier Natur von einem freundlichen Tadschiken zubereitete Essen erfordert einige Abhärtung. Ein kleines Museum in einer winzigen Provinzstadt zeigt Wandmalereien und andere Kunst der Sogder. Bis ins 4. Jahrtausend v. Chr. kann man in Sogdien eine Besiedlung nachweisen. Das Gebiet wechselte Herrscher und Religion, wurde aber durch Seidenstraßenhandel reich und entwickelte bedeutende Kunst. Sie ist chinesisch und persisch beeinflusst. In einigen Teilen Tadschikistans blieb eine Sprache erhalten, die im Sogdischen wurzelt. Die alte Hauptstadt Pendschikent aus dem  frühen Mittelalter wird Pompeji Zentralasiens genannt wegen der vielen Funde, bleibt aber sich selbst überlassen. Die Lehmmauern zerbröseln mehr und mehr zu unansehnlichen Haufen. – So schön und kulturell interessant dieses Gebiet ist, so sehr wirkt es, als habe die Welt es vergessen.

In Kirgisistan heißt das Ziel Issykkul See in 1600 m Höhe des Tianshangebirges. Der See ist mit über 6000 qkm nach dem  Titicacasee in Peru/Bolivien der zweitgrößte Hochgebirgssee. In einem Park am See erhebt sich ein großer hässlicher Klotz von Kurhotel. Boris Jelzin soll hier Gesundheit und Leber zu kurieren versucht haben, weil der Wodka in diesem Klima gut verträglich ist. Aus jedem Winkel des Hotels kriecht noch der Mief der Sowjetzeit. Da der Mai gerade beginnt, ist lt. Plan Sommer, und es wird nicht mehr geheizt. Das Wetter befolgt den Plan nicht; denn eine Kältewelle von den Höhen des Tianshangenbirges hat die Temperaturen deutlich unter null fallen lassen. Der Unterzeichner hat den Eindruck, dass sein Zimmer im Plan als Tiefkühltruhe vorgesehen war. Eine märchenhaft schöne Entschädigung findet der zitternde Gast in den von Frost überzogenen Blüten und Bäumen im Park vor dem Hintergrund des blauen Sees und der schneebedeckten Berge.

Nach einer landschaftlich wunderbaren Fahrt entlang des Sees und einem Stopp am Museum für den in seinem Forscherdrang und -erfolg durchaus mit A. v. Humboldt vergleichbaren Nicolai Prschewalsk wird  die Grenze nach Kasachstan überquert. Die endlose asiatische Steppe erwartet den Reisenden, bis Almaty (die frühere Hauptstadt Alma Ata) erreicht ist. Hier sind Museen, Parks, martialische Weltkriegsmonumente und die herrliche orthodoxe Erlöserkathedrale aus Holz zu bewundern. Dann hebt ein Flugzeug nach Deutschland ab mit dem Reisenden, der von fremdartigen, vielfältigen und traumhaften Eindrücken überwältigt ist.

Text/Bilder: UM

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