Elfenbeinküste – Masken, Märkte, Moscheen und ein Petersdom

1. Oktober 2020
Südlichste Moschee im sudanesichen Baustil in Kong

Die Elfenbeinküste erstreckt sich vom halbtrockenen Sahelgebiet südlich der Sahara bis zur feuchttropischen Guineaküste Afrikas.  Man landet in Abidjan, der früheren Hauptstadt des Landes und wirtschaftlichen Metropole. Hier zeigen sich bereits die zwei Gesichter, die man im gesamten Kontinent vorfindet: modern, fortschrittlich, gut organisiert, wirtschaftlich entwickelt einerseits, andererseits archaisch, ärmlich, sehr ursprünglich. Allerdings ist dieser Teil der lebendigere, buntere und faszinierendere. Neben der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen bewundert man überall ihr unglaubliches Improvisationstalent, vergleichbar mit dem unserer Eltern/Großeltern während und nach dem Krieg.

Das Zentrum Abidjans imponiert mit breiten Boulevards, Hochhäusern und einer großen katholischen Kathedrale. Gleich in der Nähe findet man einen einheimischen Waschsalon. Männer stehen in einem Teich und reinigen mit viel Seife Kleidung und Tücher. Sie lagern sie auf schwimenden Reifen und trocknen sie am Ufer auf einer Wiese. Die Straßen bersten vor Verkaufsständen, fliegenden Händlern und Garküchen. Das Treiben setzt sich in verschiedene Häuser und Markthallen fort. Der Sandstrand am offenen Atlantik ist ebenso überfüllt wie bei uns Norderney.

Nach einer längeren Fahrt erreicht man Bouaké im Landesinneren. Dort beginnt der Reigen an ursprünglichen animistischen Maskentänzen, die einen erwarten. Masken bedeutet hier in der Regel, daß der ganze Körper verhüllt ist. Die Golimasken zeigen einen Beerdigungstanz. Er gilt nicht dem Unterzeichner, obwohl einige der Tänze gruselig und furchterregend sind.

Weiter geht’s in den Norden nach Kong. Hier befand sich ein wichtiger Umschlagsplatz für den Transsaharahandel. Die Mandé erwarben Saharasalz gegen Kolanüsse, Gold und Sklaven. Eine Besonderheit des Ortes besteht darin, daß die Moschee die wohl südlichste im traditionellen sudanesischen Lehmbaustil bildet.

Weiter nördlich findet in Ferkessedougou regelmäßig ein Markt für Zeburinder statt. Viel Interessanteres bietet ein Dorf in der Nähe. An seinem Rand arbeiten Schmiede. Sie müssen wegen ihrer magischen Kräfte außerhalb des Dorfes leben, sind jedoch fast ein Mekka für experimentelle Archäologen. Ihre Schmiede führt zurück an den Beginn der Eisenzeit. Nahebei lagert kleinkörniges Eisenerz vermischt mit Staub. Das wird in vorsintflutlichen Lehmöfen ausgeschmolzen. Oben wird das Erz-Staubgemisch angefeuchtet in Form sogen. kleiner Bouletten eingefüllt und stundenlang ausgeschmolzen. Das Wichtigste hierbei besteht darin, die zur Schmelze hohen Temperaturen zu erreichen und zu halten. Daran haben Archäologen lange getüftelt. Hier kennt man die richtigen Ofenmaße und Verfahren seit Jahrtausenden. Zudem ist die Luftzufuhr so angelegt, daß kein Blasebalg benötigt wird. Das reine Eisen wird dann in einer ebenfalls vorsintflutlichen Schmiede zu Werkzeugen und Figuren verarbeitet.

Aber Maskentänze kommen nicht zu kurz. In Korhogo, Zentrum des Stammes der Senufo, erlebt man den Panthertanz Boley. Er darf nur von Initiierten (hier: Eingeweihten) getanzt werden. Im Senufodorf Niofoin gibt es den Tanz der Jungfrauen Ngoro, der zur Initiation der Mädchen (Einführung in eine andere Altersstufe) aufgeführt wird. Vorher konnte man ein heiliges Haus (Rundhütte), das mit mythischen Figuren und Fetischen geschmückt ist, von außen bewundern.

In einem Yacubadorf mit strohgedeckten teils bemalten Rundhütten liegt ein Tümpel mit heiligen Fischen. Sie werden verehrt, da in ihnen die Seelen der Vorfahren stecken. Natürlich fehlt ein Tanz der Masken nicht. Sie kommen diesmal aus dem Wald.

Zwischendurch schlendert man immer wieder über bunte Märkte. Unterwegs trifft man auf Dozo, eine Art Heimwehr mit alten Gewehren, sowie auf martialisch geschmückte, aber freundliche  Geheimbundsmitglieder. Sie  sind übersäht mit Fetischen zur Zauberabwehr und behandeln ihre Chefs als geistige Führer mit größter Ehrfurcht. Auf einem Markt besteht das Handwerkszeug eines Malers aus einem Tischmesser und einer Zahnbürste. Damit zaubert er in kurzer Zeit verschiedene Tiere auf ein Tuch. Picasso und andere moderne Maler sollen von diesen Formen beeinflußt worden sein. An anderer Stelle verlassen Affen den Wald, sobald sie Menschen erspähen. Da sie heilig sind, haben sie Fettlebe. Denn sie werden ständig gefüttert und haben sich zu Gourmets entwickelt. Sie bevorzugen hauptsächlich reife Mangos.

Nach stundenlanger Fahrt über extreme Rumpelpisten durch den Urwald kommt man zu einer Lianenbrücke über einen Fluß. Sie ist wie fast alles im Zentrum und Norden des Landes heilig und darf deshalb nur barfuß betreten werden. Im Ort Guéré spricht Gott über tanzende Masken mit den Menschen. In einer weiteren Ortschaft bewegen sich im Dunkeln bemalte Frauen und Männer in wilder Exstase um ein Feuer. In solch gespenstisch flackerndem Licht könnten bereits unsere Vorfahren in Stonehenge oder gar Altamira Geister, Seelen und Götter beschworen haben. Zum Höhepunkt laufen Männer barfuß durch die Glut. Einer legt sich sogar hinein, als wolle er es sich gemütlich machen. Bei dem letzten Tanz einige Dörfer weiter wird eine Maske herangeführt. Ihr wird devot offenkundig geweihtes Wasser gereicht, das sie vorsichtig auf den Boden gießt. Ihre Garde aus ihrem Geheimbund war bereits vorher lange Stöcke aneinander schlagend durchs Dorf gezogen. Sie umringt jetzt die Maske, schwingt die Stöcke drohend, schlägt sie erneut aneinander und gibt erst Ruhe, als der Unterzeichner sich beteiligt und damit der Maske anscheinend seine Referenz erweist.

Einen der vertrauten und zugleich befremdlichen Höhepunkte findet die Reise in der Hauptstadt Yamoussoukro. Nähert man sich, erblickt man schon aus der Ferne an ihrem Rand ein gewaltiges Bauwerk. Es scheint die umgebende Savanne zu erdrücken. Bald kneift man sich, um sicher zu sein, nicht zu träumen. Vielleicht erblickt man eine Fata Morgana aus dem fernen Rom. Auf einmal steht man vor dem Petersdom mit kolonnadengesäumtem Vorplatz. Der erste Präsident der Elfenbeinküste, Felix Houphouet-Boigny, war gläubiger Katholik. Er ließ dieses außergewöhnliche Bauwerk aus edelsten Materialien als Kopie von Petersdom und -platz bauen – angeblich etwas höher als das Original – und schenkte es dem Papst.

Daß man immer noch in Afrika weilt, stellt man bald fest. Nahebei erstreckt sich ein See, in den das Regenwasser vom Dach der Basilika geleitet wird. In ihm schwimmen heilige Krokodile, die den Ahnen der jetzigen Bewohner einst die Querung eines Flusses hierher gestattet haben.

Text/Bilder: UM

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