Johann Bernhard Hensen, Theodor Heinrich Hinrichs und die Sögeler St. Jakobuskirche

1. Mai 2020

Sögel – Seit dem Frühjahr erstrahlt die St. Jakobuskirche zu Sögel nach umfassenden Renovierungsarbeiten in neuem Glanz. Am 1. März 2020 wurde sie in festlichem Rahmen wiedereröffnet (s. Bericht in der Aprilausgabe der IfS). Ein neuer Höhepunkt wird dann das kommende 150jährige Kirchweihjubiläum am 21. Juni 2021 sein.

Foto: Gisela Arling

Viele Gedanken werden in diesem Zusammenhang zurückgehen in die Anfänge der Baugeschichte der heutigen St. Jakobuskirche. Über die Person des Baumeisters, Johann Bernhard Hensen (* 5. September 1828 in Sögel; † 16. Januar 1870 in Osnabrück), gibt es viele Berichte, so noch in der Emszeitung am 13.1.2020 aus Anlass des 150. Todestages des mit 41 Jahren allzu früh verstorbenen Kirchenbauers, während der ebenfalls aus Sögel stammende Kirchenmaler Hinrichs kaum bekannt ist. Daher möchte ich, soweit die Quellenlage es ermöglicht, Th. H. Hinrichs etwas stärker in das Zentrum des Beitrags stellen.

Doch zunächst einige Anmerkungen zu J. B. Hensen, der in der Zeitung zu Recht als eine der „bedeutendste[n] Persönlichkeiten des Hümmlings“ bezeichnet wird. Sein beruflicher Werdegang ist beeindruckend. Aus einfachen Verhältnissen stammend hat Hensen mit leidenschaftlicher Energie und Fleiß seinen Lebensweg beschritten. Nach solider handwerklicher Ausbildung im örtlichen Bereich und der Meisterprüfung beim Amt Haselünne erweckte sein Entwurf des Kirchenneubaus in Wachtum die Aufmerksamkeit der bischöflichen Behörde in Münster. Sein besonderer Förderer wurde der damalige Bischof von Münster Johann Georg Müller, der ihm ein Studium an der Polytechnischen Hochschule in Hannover ermöglichte. Eine rege Tätigkeit als Architekt, Kirchen- und Dombaumeister folgte in dem ihm noch verbleibenden Jahrzehnt. Einer der von ihm entworfenen und dann bis zu seinem frühen Tod im Januar 1870 begleiteten Kirchenbauten war der Neubau der Sögeler St. Jakobuskirche, deren Grundstein 1867 gelegt und die dann am 21. Juni 1871 eingeweiht wurde.

Hensen konnte die Einweihung zwar selbst nicht mehr miterleben, aber mit dem Denkmal, das ihm die Gemeinde im September 2002 an der Ecke Wahner Straße / Amtsstraße gesetzt hat, hat er „seine“ Kirche immer vor Augen.

Die Vollendung des Kirchenbaus stand indes unter keinem günstigen Stern. Am 28.12.1868 wurde der gerade errichtete Kirchturm durch einen schweren Sturm umgerissen und auf das Längsschiffgewölbe geworfen. Das folgende Jahr 1869 verging mit der Untersuchung des Unglücks und dem Auftreiben der nötigen neuen Geldmittel für die Reparaturen. Erst 1870 wurde das Werk weitergeführt. Nach dem Tod von Johann Bernhard Hensen am 16. Januar 1870 übernahm sein Bruder Hermann die Bauausführung.

Foto: Gisela Arling

Nach der Vollendung des Baus ging es an die Ausgestaltung der neuen Kirche. Eine Vielzahl von Einrichtungsgegenständen fehlten, mussten ergänzt werden bzw. wurden noch angeschafft: Teile des Hochaltars, das Tabernakel, die Kommunionbank, die Chorstühle, Altarleuchter (die Beleuchtung erfolgte mit Kerzen bzw. mit Petroleum; erst 1915 gab es eine elektrische Beleuchtung), Beichtstühle, Seitenaltäre, Kronleuchter, eine Kanzel, Mess- und Chorgewänder und 1887 schließlich eine neue Orgel.

Die Vielzahl der Aufgaben – dazu kam auch die Gestaltung der Außenanlage der Kirche und außerdem immer wieder nötige Nachbesserungen des Außenbaus – hatten wohl längere Zeit den Blick auf eine ansprechende innere (bunte) Ausmalung des Sakralraums verstellt. Mit dem neuen Pfarrer, Werner Fiedeldey (1895 – 1907 Pfarrer in Sögel), ging es auch an diese Aufgabe. Der Pastor hatte, wie es nicht selten vorkam – das merkt Franz Groteschulte in seiner 1991 herausgegebenen Schrift zur Orts- und Kirchengeschichte Sögels an – eine größere Summe Geldes von einer nicht namentlich genannten Person als Schenkung erhalten, die der Pfarrer für die Dekoration der Kirche einzusetzen gedachte, möglicherweise war sie auch zweckbestimmt. Bis dato hatte das Kircheninnere nur einen schlichten weißen Anstrich. In der Sitzung des Kirchenvorstandes der St. Jakobuskirche vom 21.10.1897 wurde beschlossen, dass dieses Gremium für die Herstellung des Gerüsts und die Absegnung des Entwurfs zuständig sein sollte.

Beauftragt mit den Planungen und entsprechendem Entwurf wurde Theodor Heinrich Hinrichs. Die folgenden Ausführungen sollen sich mit dieser Person näher befassen, die in der Biographie Vergleichbares mit der des Baumeisters Hensen aufweist.

Hinrichs im Alter von 60 Jahren (1927)

Im Sögeler Kirchenbuch des Jahrgangs 1867 finden wir eine erste Information zu Hinrichs: Theodor Heinrich Hinrichs wurde am 21. Januar 1867 nachmittags drei Uhr geboren. Seine Eltern waren der Eigner[1] Bernard Hinrichs und Ehefrau Margarethe, geborene Marschall. Einen Tag später wurde der Junge vom Pastor Altmeppen getauft. Die Taufzeugen waren Theodor Marschall, Eigner in Sögel, und dessen Ehefrau Margarethe, geborene Hinrichs.

In einem Brief an den Sögeler Pastor Fiedeldey vom 10. Januar 1898 berichtet der 30jährige Hinrichs über einen Besuch beim Osnabrücker Bischof Bernhard Höting. Hinrichs stellt sich – so schreibt er – zunächst beim Bischof vor:

„Dass ich ein Sögeler Kind sei, seit 10 Jahren in Leipzig, davon die letzten 6 Jahre in Leipzig selbständig. […] Von 1881 – 1885 bei H. Steinbild in Sögel gelernt, danach in Münster 1 Jahr bei Kirchenmaler Brinkmann, hierauf in der Schweiz, dann einen Winter nach Italien, wegen 3 Monate in Rom im Campo Santo[2] beschäftigt; hatte auch das Glück gehabt, den hl. Vater [Leo XIII.] am 6. Februar 1887 zu sehen, welches ich durch ein Zeugnis Ihnen zeigen konnte. Von dort aus über Loreto, Venedig nach München, wo ich 1½ Jahr teils auf der Schule, teils im ersten Geschäft bei Hofmaler Schultze beschäftigt war. Von hier aus, als die Kunstgewerbe-Ausstellung 1888 im April eröffnet war, machte ich nach Wien, Prag, Dresden u. Leipzig. In Leipzig hatte ich einen guten Freund von München aus, mit dem ich nach Berlin wollte. Der Freund war in einem schönen Geschäft und hatte noch keine rechte Lust mit nach Berlin zu machen, bewog mich dann dazu, dass ich auch dablieb. Ich erhielt eine gute Stelle bei Georg Straßer, geborenem Münchener, beim Hofmaler Schudt, geborenem Frankfurter a/M., und Richard Schulz. Bei letzterem lernte ich einen Glaubensgenossen kennen, sehr gut katholisch, geborener Würtenberger aus Stuttgart, namens Gustav Kohnle. Wir wurden durch den Gesellen-Verein enge Freunde. Hier lernte uns auch die Geistlichkeit kennen.

In dieser Zeit wurde hier in Leipzig eine 2. kath. Kirche gebaut. Für die Ausmalung derselben bewarben wir uns, sandten bei der Kirchenbau-Verwaltung eine Skizze nebst Kostenanschlag ein, worauf uns die Arbeit übertragen wurde. Es lernten uns durch die Arbeit mehrere Architekten kennen und wir bekamen auch die Arbeit in der neuen protestantischen Kreutz-Kirche Leipzig-Neustadt, auch in Leipzig-Volkmarsdorf machten wir die Probe mit Professor Schaper aus Hannover. Danach die kath. Kirche in Altenburg, Grimma, Deuben bei Dresden, Markranstädt bei Leipzig.

Ich legte hierauf dem Hochw. Herrn Bischof die Zeugnisse von den Kirchen, die wir gemacht hatten, vor, worüber der Hohe Herr sich gefreut hat. Er frug mich, ob denn ich willens sei in der Diözese zu bleiben, welches ich nicht versprechen konnte, wohl aber hätte ich Lust dazu.

Ob ich auch schon einen Plan gemacht hätte. Auf eigene Veranlassung hätte ich einen gemacht, ich sollte aber noch einen machen, den der Hochw. Herr Pfarrer seiner bischöflichen Gnaden vorlegen würde, zugleich mit Kostenanschlag.

Mit diesen Worten frug er auch gleich, was ungefähr die Ausmalung kosten würde, worauf ich dann 7500 bis 8000 Mark sagte [nach Kaufkraftberechnungen der Bundesbank vom Januar 2020 ca. 55.000 €]. Nach einem kurzen Nachdenken erwiderte der Hohe Herr, dass es eine große Kirche sei und wenig Platz für figürliche Sachen. Ich erzählte, dass der Wunsch des Herrn Pfarrer eine recht ruhige Farbenstimmung mit Gott sei; womit der Hochw. Herr einverstanden war. […]“

[in Grammatik und Satzbau leicht angepasst].

Zwischenzeitlich hatte es für Hinrichs bei der Auftragsplanung eine Komplikation gegeben. Der Sögeler Kirchenvorstand wünschte, dass alle Sögeler Maler(meister) bei den Arbeiten einen Beitrag leisteten. Hinrichs war mit diesem Vorgehen einverstanden und hatte mit den entsprechenden Personen Kontakt aufgenommen.

In einem Brief vom 18. Februar 1898 an Pastor Fiedeldey musste Hinrichs aber bekennen, dass der Wunsch des Kirchenvorstandes und seine eigenen diesbezüglichen Bemühungen das Konkurrenzdenken der Beteiligten wohl etwas unterschätzte.

Hinrichs hatte nämlich den angesprochenen Malern den Vorschlag gemacht, es solle in einem Buche die Arbeitszeit eines jeden eingetragen und nach Vollendung der Arbeit unter den Meistern abgerechnet werden; denn jeder der angesprochenen Maler habe noch gleichzeitig sein eigenes Geschäft zu versorgen und es sei so dem einzelnen nicht möglich, jeden Tag in der Kirche zu arbeiten. Während der eine Meister damit einverstanden war, ein zweiter ebenfalls zustimmte unter der Bedingung, dass sein Sohn mitarbeiten könne, lehnte der dritte eine Zusammenarbeit mit den anderen rundweg ab.

Schon war eine Konfliktsituation entstanden, die von Hinrichs, der dazu auch noch mit einem der Malermeister verwandt war, nicht mehr gelöst werden konnte.

Daher bat er den Pfarrer, zusammen mit dem anonymen Spender zu vermitteln und eine Entscheidung zu treffen, wer aus Sögel beteiligt werden sollte.

Am 20. März 1898 erteilte der Bischof dem Sögeler Kirchenvorstand die von diesem beantragte Genehmigung:

„In Erwiderung auf die Eingabe vom 14./15. des Monats will ich hiedurch die Ausführung der hieneben wieder angeschlossenen Entwürfe des Malers H. Hinrichs zu Leipzig für die Dekoration der dortigen Pfarrkirche hiedurch genehmigen, indem ich voraussetze, daß die entstehenden Kosten durch freiwillige Beiträge aufgebracht werden.

Der Bischof

+Bernard (Höting)“

Offensichtlich zieht sich der Beginn der Arbeiten wegen der internen Konflikte in Sögel noch einige Monate hin, denn erst im September 1898 regelte ein detaillierter Vertrag die Ausführung der Ausmalung:

„Zwischen dem Pfarrer W(erner) Fiedeldey in Sögel einerseits und den beiden Dekorationsmalern Herrn H. Hinrichs aus Leipzig (Firma Kohnle und Hinrichs) und Herrn Theodor Steinbild in Sögel andrerseits ist heute folgender Vertrag gemacht worden.

1. Der Pfarrer W. Fiedeldey will die Pfarrkirche in Sögel auf Grundlage des vom Herrn Hinrichs verfertigten Entwurfs im Inneren dekorieren lassen. Er behält sich das Recht vor, während der Ausführung zu bestimmen, wie ein anderer Farbenton, als wie er im Entwurf ist, genommen und wie Dekorations-Füllungen, welche im Entwurf nicht vorgesehen sind, angebracht werden sollen.

2. Diese Dekoration übergiebt er den beiden oben genannten Herrn, welche sie annehmen und sich verpflichten, dieselbe, soweit es möglich ist, in ununterbrochener Arbeit gemeinsam auszuführen. Herr Hinrichs hat jedoch die Oberleitung des ganzen Werks. Die Gehülfen arbeiten unter der Leitung der beiden Meister.

3. Über die Arbeitszeit sowohl der Meister als der Gehülfen wird genau Buch geführt und zwar von ihnen selbst.

4. Die zur Arbeit erforderlichen Materialien, wie Pinsel, Farben etc. werden von den beiden Herrn Annehmern gemeinsam geliefert und vom Herrn Hinrichs besorgt.

5. Für die Vollendung des Werks zahlt der Pfarrer W. Fiedeldey acht tausend (8000) Mark. Von dieser Summe fallen dem Herrn Hinrichs für seine Oberleitung und größere Verantwortung 10% und für die Zeichnung 5% zu, das ist die Summe von zwölfhundert (1200) Mark.

Was dann nach Abzug des ganzen Gehülfenlohnes und der für die Materialien gemachten Auslagen übrig ist, gehört den beiden Meistern. Diese theilen sich darin nach der Anzahl der Tage, die sie an dem Werke gearbeitet haben.

6. Die Verantwortung für die Sicherheit des Gerüsts sowie die Haftbarkeit für etwaige Unglücksfälle der Gehülfen übernehmen die beiden Meister Hinrichs und Steinbild.

Sögel 13. September 1898

W. Fiedeldey Pfarrer

Heinrich Hinrichs

Theodor Steinbild

Hinrichs 3. von links, Steinbild 4. von rechts

Die Farbgebung in der Ausmalung der Kirche lässt sich anhand der vorhandenen Schwarz-Weiß-Bilder nur erahnen. Gleichwohl zeigt die verschwenderische Ornamentik an den Wänden, den Pfeilern, den Gewölben und im Chorraum, die Elemente des Jugendstils erkennen lassen, den Gestaltungswillen des jungen Künstlers.

Unklar bleibt in den vorhandenen Quellen, wie lange die Arbeiten dauerten. Zu vermuten ist, dass sie wohl im Jahr 1899 abgeschlossen wurden.

Hinrichs hat in den dreißiger Jahren noch eine weitere Kirche in unmittelbarer Nachbarschaft von Sögel ausgemalt: die als „Dom des Hümmlings“ bezeichnete Kirche zu (Alt-)Wahn.

In der Broschüre „Wahn, use olde Heimat“ heißt es: „Die Ausmalung wurde dem aus Sögel stammenden Kirchenmaler Heinrich Hinrichs aus Leipzig nach dem vorgelegten Kostenanschlage für die Gesamtsumme von 5750 Mark übertragen. Dieser bewies große Erfahrung und starkes Einfühlen in die so verschiedenartigen Lichtwirkungen, so dass er ein Werk vollbrachte, das den Meister ehrt.“

Theodor Heinrich Hinrichs starb am 18. November 1942 in Leipzig.

Ein Bild, das Foto, Gebäude, weiß, schwarz enthält.

Automatisch generierte Beschreibung
Innenansicht der Sögeler Kirche (noch mit Kanzel und Kommunionbank) mit der Ausmalung von Hinrichs und Steinbild aus dem Jahr 1926
Chorraum mit Hochaltar

Schwarz-Weiß-Bilder: Archiv der Gemeinde Sögel

Originale des Briefwechsels Hinrichs – Fiedeldey, Höting – Kirchenvorstand und Vertrag Fiedeldey – Hinrichs – Steinbild im Archiv der Gemeinde Sögel

Text: Eckhard Bredohl


[1] ein Eig(e)ner führte einen kleinen bäuerlichen Betrieb

[2] Campo Santo Teutonico, der sog. deutsche Friedhof und die zugehörigen Gebäude in Rom

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