Peru – mehr als Inka

1. November 2017

Spricht man von Peru, so verbindet man es neben spanischem Goldraub mit den Inka. Die Inka errichteten in der Zeit von ca. 1400 n. Chr. bis zur spanischen Eroberung unter Pizarro ein riesiges Reich. Es erstreckte sich vom heutigen Quito in Ecuador bis ungefähr Santiago de Chile. Seine Länge entsprach etwa der Entfernung vom Nordkap bis Sizilien. Sein Wegenetz kann in der Ausdehnung nur mit dem Straßensystem des Römischen Reichs verglichen werden. Obwohl die Inka weder Rad, noch Geld oder Steuern kannten, war ihr Reich straff organisiert. Besonders beeindruckend und zugleich rätselhaft ist die Baukunst der Inka. Ohne Rad und Wagen, große Lasttiere, Eisen und Flaschenzug glätteten sie gewaltige Steinquader und türmten tonnenschwere Kolosse ohne Mörtel so übereinander, dass eine Messerklinge nicht in die Fugen passt. (Der Unterzeichner hat es selbst ausprobiert.) Die Fundamente von Inkabauten bilden heute noch die Grundlagen neuer Gebäude. Am bekanntesten ist der 1911 vom Amerikaner Hiram Bingham entdeckte sagenhafte Ort Machu Picchu auf einer Bergkuppe in ca. 2500 m Höhe. War er eine Festung gegen Tieflandindiander, ein Palast des obersten Inka im 15. Jahrh., ein letzter Rückzug von Inkafürsten, ein rein sakraler Ort oder waren seine Terrassen an steilen Hängen gar, wie ein amerikanischer Anthropologe nicht ausschließt, landwirtschaftliche Versuchsbeete? Auch wenn die Bedeutung von Machu Picchu nicht endgültig geklärt ist, so sollte jeder Perureisende den Ort besuchen. Der Blick von der obersten Hügelkuppe auf Täler sowie Berge und die gut erhaltenen Ruinen nimmt einem den Atem.

Die Inkakultur war unzweifelhaft eine Hochkultur, wie bereits Alexander von Humboldt festgestellt hat. Aber sie war nicht die einzige. Zu nennen sind die Chimu (13. bis 15. Jahrh.) und deren vermutliche Vorgänger, die Moche (1. bis 8. Jahrh. n. Chr.) im Norden von Peru. In der Küstenregion von Lambayeque erheben sich viele Mochepyramiden aus ungebrannten Ziegeln. Zu den größten zählen die Mond- und die Sonnenpyramide. Die Gegend bildete lange Zeit ein Betätigungsfeld von Grabräubern. Zu besichtigen sind noch (teils in Rekonstruktion) die reich ausgestatteten Gräber des Herrn von Sipan und der Dame von Cao. Allen Grabfunden ist das sehenswerte Museum Tumbas Reales gewidmet. Die Chimu bauten mit Chan Chan die größte Ziegelstadt Amerikas, evtl. der ganzen Erde. Die Rekonstruktion der Stadt vermittelt einen hervorragenden Eindruck vom hohen zivilisatorischen Standard der Chimu. Zu nennen sind zudem die Aymara in den Anden. Sie sind evtl. Nachfolger der Hochkultur der Tiwanaku (16. Jahrh. v. Chr. bis 12. Jahrh. n. Chr.). Die Tiwanaku bauten wohl als erste mit Steinen. Die Inka übernahmen steinerne Bauten und Heiligtümer der Aymara/Tiwanaku. – Das Inkareich war noch gar nicht so alt, als die Spanier es im 16. Jahrh. eroberten. Denkt man bei Peru ausschließlich an die Inka, so sieht man nur die Oberfläche einheimischer Kulturen. Für die Inka gilt ebenso wie für unser gesamtes Wissen die Feststellung Bernhard von Chartres aus dem frühen 12. Jahrh., wir seien nur Zwerge auf den Schultern von Riesen. D. h., die Inkakultur fußt auf bedeutenden Vorgängerkulturen.

Peru hat mehr zu bieten als indianische Kulturen, obwohl diese schon reichen, um das Land zu einer touristischen Perle zu machen. Da sind die herrlichen Kolonialstädte mit traumhafter altspanischer Architektur, wie Chiclao, Trujillo, Lima oder Arequipa. Jedes Kloster und jede Kirche sind einen Besuch wert. Das Nationalmuseum in Lima kann mit dem Goldmuseum Bogotas verglichen werden. Die Landschaft Perus variiert von Wüste, Hochgebirge bis tropischem Regenwald im Amazonasgebiet. Die Ballestasinseln im  Pazifik nahe der Küste werden als Klein Galapagos wegen ihres Reichtums an brütenden Vögeln (sogar Pinguine), an Seebären, Robben und Delphinen bezeichnet. Nahe der Transamericana am Nordrand der Atacama Wüste erstrecken sich auf etwa 500 qkm die berühmten ca. 2600 Jahre alten Scharrbilder von Nazca: geometrische Muster von bis zu 20 km Länge und riesige Tierbilder, z. B. ein Kolibri mit 120 m Länge und 80 m Flügelspannweite. Um die Linien mit dem Auge zu erfassen, muss man sie im Kleinflugzeug überqueren. Auf dem Weg in die Anden taucht wie eine Fata Morgana die Oase Huacachina auf. Hätte sie nicht einen grün eingefassten See, so fühlte man sich versetzt in die hohen Dünen des Erg in der Sahara. Das Zentrum Arequipas in 2300 m Höhe wurde zum Weltkulturerbe erklärt. Neben altspanischen Häusern umfasst es prunkvolle  Barockkirchen und das Juwel „Kloster Santa Catalina“. Windet man sich auf 3400 m Höhe, erreicht man mit Cuzco das nächste Weltkulturerbe. Es war Hauptstadt des Inkareichs und dessen Nabel der Welt. Die Spanier machten es kurzfristig zu ihrer Hauptstadt und hinterließen auf wuchtigen Inkaruinen Klöster und Kirchen. In der Kathedrale hängt ein kurioses Bild des Abendmahls: auf dem Tisch liegt kein Brot, sondern ein gehäutetes Meerschweinchen, heute noch Lieblingsspeise der Indianer. (Dieses Bild verweist auf den Stil von Cuzco, der in den Anden von Chile bis Venezuela vorzufinden ist. Bei ihm sind die Heiligen z. B. immer opulent gekleidet, mit Schmuck behangen und tragen Feuerwaffen, da die Indianer sich so wichtige Menschen wie Heilige anders nicht vorstellen konnten.) Ist man schon bis Cuzco gelangt, fährt man natürlich weiter zum Titicacasee in über 3800 m Höhe auf dem Altiplano umgeben von Vulkanen. Auf einer Insel (Sonneninsel) befindet sich der mythologische Ursprung der Inka. Die berühmten Indianerdörfer auf Schilfinseln sind heute zu Museumsdörfern umgestaltet, da die Indianer mittlerweile das trockene mit Strom und Trinkwasser versorgte Ufer bevorzugen; gleichwohl bietet ein Besuch dieser Dörfer einen interessanten Einblick in eine kürzlich noch lebendige Vergangenheit.

Der nächste Artikel führt an die Grenze zwischen Europa und Asien.

Text/Bild: UM

    

    

    

    

    

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