Besuch der Gedenkstätte Esterwegen

1. August 2016

Sögel – Am Dienstag, dem 21.6.2016, besuchten wir Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen des Hümmling-Gymnasiums die Gedenkstätte Esterwegen. Der Tag begann mit einer Busfahrt von der Schule zum Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers. Schon auf der Hinfahrt fiel dabei auf, dass das Gelände nicht mit alten Baracken und historischen Bauten aus der Zeit des Nationalsozialismus, sondern mit modernen Roststahlzäunen und Waldinseln bestückt war. Nachdem wir uns vor dem Eingang der Gedenkstätte versammelt hatten, erklärte unser Lehrer Herr Strotbek, dass dies eine bewusste Entscheidung bei der Errichtung der Anlage gewesen sei, denn tatsächlich zu erleben, wie es in einem Konzentrationslager sei, bedeute, den Tod zu sehen. Deshalb setzt sich die Gedenkstätte Esterwegen auf künstlerische und symbolische Weise mit den Schrecken dieser furchtbaren Zeit auseinander. Zum Beginn unseres Besuchs wurden wir dann in der Ausstellung in zwei Gruppen aufgeteilt, um uns in Vorträgen über die Geschichte der Emslandlager zu informieren. Meine Gruppe wurde von Joseph Meyer betreut, der uns in etwa anderthalb Stunden auf bewegende und informative Weise veranschaulichte, wie schlimm die Zustände für die Gefangenen waren. Die zumeist politischen Gefangenen wurden misshandelt, für die Aufseher der SA jedoch wurden später Vergnügungsanlagen wie z.B. ein Freibad eingerichtet. Später wurde das Lager dann auch mit Strafgefangenen gefüllt, die bereits drei oder mehr schwere Straftaten begangen hatten und deshalb in Schutzhaft genommen wurden. Diese wurden bevorzugt und schikanierten die anderen, meist politischen Gefangenen. Während des Krieges wurden in den Emslandlagern dann auch Kriegsgefangene beherbergt, bis die Lager am Ende des zweiten Weltkriegs schließlich von kanadischen Soldaten befreit wurden. Nachdem wir uns so einen Überblick über die Geschichte der Lager verschaffen konnten, trafen wir uns in der Eingangshalle,  wo wir uns ein Luftbild aus dem Jahr 1937 anschauten, um anschließend das Gelände der Gedenkstätte selbst zu erkunden. Dabei sollten wir besonders darauf achten, wie die moderne Gestaltung des Geländes verschiedene Aspekte des Gefangenenlebens verdeutlichen sollte. Der mit Lavagestein bedeckte Boden symbolisierte dabei den Torf, Bauminseln zeigen, wo die Baracken gestanden haben. Die Tore wurden mit dünnen Wänden aus Roststahl dargestellt, welche an den Stellen, wo früher Wachtürme postiert waren, erhöht waren. Der Bereich der Wachmannschaften hingegen war mit Gras überdeckt. Obwohl die Anlage im Sonnenschein so friedlich aussah, konnte man sich bildhaft vorstellen, wie es hier in den finstersten Stunden deutscher Geschichte einmal ausgesehen haben musste. Nach diesen Eindrücken gingen wir hinüber in die Ausstellung, die mit zahlreichen Dokumenten und Informationstafeln die historischen Gegebenheiten aufzeigte. Die Schüler wurden in Zweiergruppen aufgeteilt und sollten zu verschiedenen Themen recherchieren. Dabei ergründeten einige die Entstehung des Moorsoldatenliedes, während andere sich mit den Lebensgeschichten prominenter Häftlinge wie Ernst Heilmann oder Carl von Ossietzky auseinandersetzten. Anschließend bekamen wir eine wohlverdiente Mittagspause, in der wir uns über unsere Erfahrungen austauschten. Nach dieser Stärkung wurden wir dann in unsere Klassen aufgeteilt und durchliefen nacheinander verschiedene Stationen. Dabei wurden wir nicht nur von Michael Strodt durch das Kloster geführt, welches es sich zu Aufgabe gemacht hatte, Angehörige und Überlebende bei der Vergangenheitsbewältigung zu unterstützen und Besucher der Gedenkstätte seelsorgerisch zu betreuen, sondern befassten uns auch noch einmal ausführlicher mit der Lebensgeschichte von Erna de Vries, die uns eine Woche zuvor in der Schule besucht und uns in einem bewegenden und beeindruckenden Vortrag von ihren Erlebnissen während der Judenverfolgung und insbesondere in den Konzentrations- und Vernichtungslagern Ravensbrück und Auschwitz berichtet hatte. Wir besichtigten den „Raum der Geschichte“ und den „Raum der Sprachlosigkeit“. In ersterem stand hinter drei Stelen das Moorsoldatenlied an die Wand geschrieben, mit dem wir uns bereits im Musikunterricht ausführlich beschäftigt haben. Das Lied wurde als Reaktion auf die „Nacht der langen Latten“ während des „Zirkus Konzentrazani“ von den Häftlingen im Lager Börgermoor erstmalig gesungen und von der Lagerleitung bald darauf verboten, verbreitete sich jedoch sehr schnell in anderen Konzentrationslagern und bis in den spanischen Bürgerkrieg, wo es ebenfalls gesungen wurde. Im „Raum der Sprachlosigkeit“ war es sehr beklemmend, da die Wände mit Gittern bedeckt waren. Ansonsten standen nur einige Bänke aus Holz um eine Lore, die vor einem Schienenkreuz stand, herum. Mit Michael Strodt haben wir dann die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten, die man in diesen Symbolen sehen kann, diskutiert, bevor wir die Führung in der kleinen Kapelle abschlossen. Danach haben wir eine Dokumentation von Geschichtsstudenten der Universität Münster geschaut, welche die historischen Hintergründe zu Erna de Vries´ Erfahrungen während des Holocaust zusammenfasst und wissenschaftlich belegt. Dies sei ihr, so Michael Strodt, besonders wichtig, dass ihre Erinnerungen auch belegt seien und nicht nur Dinge aus ihrem Kopf. Zuletzt durften wir dann unsere Erfahrungen wahlweise in einem Brief an Frau de Vries oder einem Brief an unser zukünftiges Selbst festhalten. Zum Schreiben dieser Briefe gingen viele Schüler in das nahe gelegene  Moor, um in Ruhe ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Insgesamt kam eine beachtliche Anzahl an Briefen für Erna de Vries zusammen, und wir hoffen, dass sie diese mit Freude lesen und vielleicht auch beantworten wird. Abschließend fuhren wir dann mit dem Bus in Richtung Schule zurück. Nach einem langen, informativen und beeindruckenden Tag war es ziemlich still, alle schienen in Gedanken versunken zu sein. Und doch waren wir nach all den Zeugnissen von Unmenschlichkeit, Brutalität und Verzweiflung dankbar, zu erfahren, dass es letztlich doch immer noch Menschen gab und gibt, die sich nicht brechen ließen und auch heute noch von ihren Erfahrungen berichten, um dafür zu sorgen, dass es nie wieder so sein wird wie zu Zeiten des Nationalsozialismus.

Text: Kathrin Lammers

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