Fortsetzung…. Versuch einer kurzen Darstellung von Mentalität in der Weimarer Republik – TEIL II

1. November 2015

Historische Gründe einer undemokratischen Einstellung/Haltung

Wie nun ist die Lage in der Weimarer Republik, dass die nationalsozialistische Menschheitskatastrophe nicht verhindert wurde und ihr sogar Vorschub geleistet wurde, dass überspitzt die Weimarer Republik nach Meinung einiger Historiker eine Demokratie ohne (genügend) Demokraten war? Der Philosoph und Soziologe Helmuth Plessner bezeichnete Deutschland im Titel eines seiner Bücher als verspätete Nation. Andere Staaten hätten ab dem 17. und 18. Jahrhundert Demokratie und ihr Gedankengut verbreiten und in sich aufnehmen können.

In Deutschland entwickelte sich Demokratie durchaus im 19. Jahrhundert. Nationalkonservatives Denken blieb jedoch bis 1918 und danach weit verbreitet. Das Chaos zwischen 1918 und 1923 verstärkte antidemokratische Ressentiments.

 

Die Republik wurde zum Ende des Weltkriegs zweimal ausgerufen: von Scheidemann und von Liebknecht. Beide hatten sehr unterschiedliche Konzepte von Demokratie und Staatsaufbau. Viele Straßenkämpfe erschütterten das Land. Die verfassunggebende Versammlung musste von Berlin nach Weimar ausweichen, um dem Druck der Straße zu entgehen. Mehrere kommunistische Regierungen ergriffen die Macht. Ebert verbündete sich mit dem Militär, um Herr der Lage zu werden. Das Militär war – gelinde gesagt – nicht von demokratischen Idealen durchdrungen. Später ereignete sich der Kapp-Putsch. Der Versailler Vertrag legte Deutschland unerträglich hohe Reparationszahlungen auf. Der Vertrag war auch als Kränkung Deutschlands zumindest von Frankreich gedacht und wurde von den Deutschen so empfunden. Nach der Verarmung im Krieg wurden Deutschland und die Deutschen infolge einer unvorstellbaren Hyperinflation noch ärmer. Die Inflation konnte erst 1923 gestoppt werden.

Angeblich um die Reparationszahlungen zu sichern, besetzten Frankreich und Belgien das Rheinland. Die deutsche Regierung rief dort zum passiven Widerstand auf und finanzierte ihn. Das zerrüttete die Staatsfinanzen weiter. Ein Abkommen zur Streckung deutscher Schulden löste das andere ab. Deutschland blieb mit den Reparationen jedoch überfordert.

Von 1923 bis 1928/29 stabilisierte sich Deutschland innen- und außenpolitisch trotz eines häufigen Wechsels von Regierungen. Die Zeit reichte offenkundig nicht aus, um ein breit gestreutes Vertrauen in die Demokratie wachsen zu lassen. Stresemann starb im Oktober 1929. Er war mit seiner Friedens- und Europapolitik seiner Zeit weit voraus und hatte in dem französischen Außenminister Aristide Briand einen gleichgesinnten Partner gefunden. Heute würde man sagen, mit Stresemann hatten die Demokratie in der Weimarer Republik und die Aussöhnung mit Frankreich einen „anchorman“ verloren.

Der Zusammenbruch der New Yorker Börse löste 1929 die Weltwirtschaftskrise aus. Sie hatte große Arbeitslosigkeit und erneute Verarmung in Deutschland zur Folge. Regierungen wechselten, ohne dass die Lage sich besserte. Immer weniger Menschen identifizierten sich mit Demokratie und Weimarer Republik. Sie erlebten beide als negativ und erinnerten sich wehmütig an die „gute alte Zeit“ des Kaiserreichs mit geordneten Zuständen, geringer Arbeitslosigkeit und gewissem Wohlstand. Dabei wurden autoritäre Strukturen des Kaiserreichs, der Weltkrieg und seine Leiden sowie Folgen ausgeblendet. (Eine ähnliche Verklärung gibt es heute bei DDR-Nostalgikern, die das Unrechtssystem der DDR ausblenden. Auch nach dem 2. Weltkrieg gab es verklärende Einstellungen gegenüber dem 3. Reich. Es gibt sie leider bis heute noch.)

 

Die braune Verlockung

Die Nationalsozialisten gaben sich volksnah, versprachen Ordnung, Stolz, Arbeit, Revanche für die Demütigung von Versailles, fanden Sündenböcke in den Juden und in allem „Ausländischen-Undeutschen“. Vor allem ich-schwache Menschen fühlten sich überhöht durch die Nazi-Ideologie. Außengelenkte Menschen ließen sich bereitwillig verführen. Sie akzeptierten die Nationalsozialisten als Bezugsgruppe, an der sie sich positiv ausrichteten, und übernahmen deren Gedankengut, Werte und Normen in ihre Identität. Zugleich bildeten für viele mit dieser Identität und für andere Menschen demokratische Politiker  eine abgelehnte, sogar verachtete Bezugsgruppe. Damit wurde auch die von diesen Politikern getragene Demokratie abgelehnt. Traditionsgelenkte Menschen waren zwar gegenüber den Nationalsozialisten zunächst etwas reserviert, empfanden sie aber als das kleinere Übel gegenüber den Weimarer Zuständen, da die Nazis an konservative Werte appellierten. Dies gilt umso mehr, als der von traditionsgelenkten Menschen, aber auch von anderen geschätzte Reichspräsident Hindenburg Hitler nicht verhindern konnte oder wollte, obwohl er Hitler verächtlich als den böhmischen Gefreiten titulierte. Zudem lässt sich sagen, dass viele Bürger, auch Arbeiter, Beamten, Richter, Soldaten und Politiker, die vorher vielleicht noch mehr oder weniger die Republik bejaht hatten, im Laufe der Weltwirtschaftskrise langsam keinen Sinn in der Weimarer Republik sahen. Und Sinn ist einer der wichtigsten Gründe für Legitimierung und Legitimität.

Text: UM

 

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