Weimar – die gescheiterte Republik, Fortsetzung und Ende:

1. September 2015

Die Endzeitwirren gleichen den Geburtswehen

Dem stand jedoch ein immer noch fragiles politisches System mit Reichstagsauflösungen und Notverordnungen gegenüber. Der Tod Stresemanns sowie der Zusammenbruch der New Yorker Börse und die Weltwirtschaftskrise ab 1929 förderten die politische Instabilität der WR. Eine Parlamentsauflösung und Notverordnung – also gesetzähnliche Maßnahmen der Regierung am Parlament vorbei – löste die andere ab. Kommunisten und Nazis liefert einander Straßenschlachten, zugleich wurde die bürgerliche Mitte infolge Wahlerfolgen von weit links und noch weiter rechts zerbröselt. Möglicherweise war 1932 das endgültige Schicksalsjahr der WR. Das Parlament wurde fünfmal aufgelöst, der Straßenterror feierte mit Mord und Totschlag Urständ. Hinzu traten noch die undurchsichtigen Intrigen eines Generals von Schleicher sowie der Hofkamarilla um Hindenburg sowie dessen fortschreitende Handlungsschwäche.

Ebert hatte bei seiner Rede zur Eröffnung der deutschen Nationalversammlung in Weimar noch an aufklärerische Ziele erinnert: „Die alten Grundlagen der deutschen Machtstellung sind für immer zerbrochen. Die preußische Hegemonie, das hohenzollernsche Heer, die Politik der schimmernden Wehr sind bei uns für alle Zeit unmöglich geworden. Wie der 9. November 1918 angeknüpft hat an den 18. März 1848, so müssen wir hier in Weimar die Wandlung vollziehen vom Imperialismus zum Idealismus, von der Weltmacht zur geistigen Größe. Es charakterisiert durchaus die nur auf äußeren Glanz gestellte Zeit der Wilhelminischen Ära das Lassallesche Wort, dass die klassischen deutschen Dichter und Denker nur im Kranichzug über sie hinweggezogen seien. Jetzt muss der Geist von Weimar, der Geist der großen Philosophen und Dichter, wieder unser Leben erfüllen …“ (Freund, Deutsche Geschichte, S. 1058)

Wenn man das Getaumele und die Zufälligkeiten, die wirtschaftlichen Probleme und den ausländischen Druck der ersten Jahre der WR betrachtet, wirft sich im Gegensatz zu diesen aufklärerisch-idealistischen Vorstellungen erneut die Frage auf, ob eine Demokratie, die in einem solchen Durcheinander wurzelte, überhaupt eine Überlebenschance haben konnte, zumal – wie nach dem 2. Weltkrieg – die alten Eliten aus Beamten- und Richterschaft, aus dem Militär und aus der Wirtschaft wieder nach vorne drängten und auf ein eher autoritätshöriges, nach Ruhe und Ordnung sich sehnendes Volk stießen, in dem sich eventuell viele autoritäre Persönlichkeiten (Theodor W. Adorno) befanden, also Menschen, die vereinfacht ausgedrückt nach oben buckelten und nach unten traten. Es deutet vieles darauf hin, dass die letzten Jahre der WR in ihren Geburtsjahren vorgezeichnet waren. Von Schleicher bemühte sich hinter den Kulissen zur Rettung einer (rechtslastigen) Demokratie, um die Nazis klein zu halten, verfing sich dann aber selbst in seinen Fäden, wie dies oft bei einem Übermaß an Intrigen geschieht. Sein „Produkt“, Reichskanzler von Papen, hatte Hindenburg von der Notwendigkeit einer Art Staatsstreich (Auflösung des Parlaments ohne Neuwahlen) überzeugt, um Hitler zu verhindern. Von Schleicher redete dies Hindenburg aus und ließ sich selbst zum Kanzler machen. Er agierte glücklos in den wenigen Wochen seiner Kanzlerschaft bis zu Hitlers Machterschleichung. Zuletzt sah die Mehrheit der Politiker in den Nazis die Rettung der Demokratie in der Hoffnung, Hitler schnell wieder loszuwerden, zumal viele Deutsche den Glauben an die WR  verloren hatten. Sie sahen keinen Sinn mehr in ihr bei großer wirtschaftlicher Not und 6 Millionen Arbeitslosen. Sinn liefert Legitimation. Diese hatte die WR für zu viele Menschen verloren. So wurde der Blick auf die positiven Zeichen am Horizont verstellt: leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit, Ende der Reparationen, möglicher Ausgleich mit Frankreich, langsames Anziehen der Weltwirtschaft. Viele deutsche Bürger und Politiker stürzten sich wie die Lemminge in den Abgrund des 3. Reichs.

Der Ablauf der Ereignisse wirkt so, als habe sich der Untergang der WR in das Inferno des 3. Reichs schicksalhaft mit der unausweichlichen Wucht einer altgriechischen Tragödie erfüllt.

Text/Foto: UM

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