Gedanken zur jüngeren deutschen Geschichte (Fortsetzung)

8. Juli 2015

Folgen der Aufklärung in jüngerer Zeit

Etliche Theoretiker waren und sind der Meinung, mit der Französischen Revolution sei die Aufklärung beendet gewesen. Das ist m. E. falsch.

Denn viele wichtige Ideen und geistige Strömungen des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, die die Welt veränderten und heute noch Einfluss haben, können zur Aufklärung gerechnet werden. Die amerikanische Verfassung ist zweifellos ein Kind der Aufklärung. In ihrer Präambel wird sogar das Streben nach Glück (pursuit of happiness) als Recht für jedermann gefordert. Das Werk von Karl Marx gehört zumindest in Teilen zur Aufklärung, ebenso die Psychoanalyse Sigmund Freuds und anderer sowie die Evolutionstheorie von Darwin und Wallace. Der studentische Aufbruch der 1960er Jahre lässt sich als Fortführung der Aufklärung bezeichnen, wenn er auch teilweise in ideologische Rechtfertigungen von Gewalt und Menschenverachtung führte. Französische Philosophen der letzten ca. 60 Jahre sind geteilter Meinung darüber, ob die Aufklärung den Menschen gedient hat und ob sie beendet ist.

In der jüngeren deutschen Philosophie sieht man wohl überwiegend die positiven Auswirkungen der Aufklärung und kann ihr Ende nicht erkennen. Jürgen Habermas z. B. vertritt ausdrücklich die Auffassung, die Aufklärung sei nicht beendet. Das bedeutet, dass der poetisch-dunkle Satz von Hegel gilt: „Die Eule der Minerva beginnt ihren Flug in der Abenddämmerung.“ Minerva fungierte auch als Göttin der Weisheit. Die Eule war ihr Wappenvogel. Das heißt bezogen auf die bisherigen Gedanken: Man kann ein Phänomen erst richtig analysieren und beurteilen, wenn es abgeschlossen ist.

Sei dem, wie es sei. M. E. ist das wichtigste Kind der Aufklärung die Demokratie. Deutschland hat vor 1945 zweimal die Chance gehabt, eine dauerhafte Demokratie einzurichten, die allen Bürgern gleiche Rechte einräumt. Die erste Möglichkeit bestand nach den Freiheitskriegen ab 1812. Sie wurde durch die Restauration unterdrückt und lief im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf eine unvollendete Demokratie hinaus. Die zweite Gelegenheit zu Demokratie gab es nach dem 1. Weltkrieg. Die Weimarer Republik war zweifellos demokratisch, konnte sich aber nur bis zu Hitlers Machtergreifung 1933 behaupten.

 

Was geschah in den Jahren zwischen 1918 und 1933, dass ein hoffnungsvoller demokratischer Beginn in einem mörderischen Zivilisationsbruch bar jeder aufklärerischen Humanität und Toleranz enden konnte?

 

Zusammenfassung

Der Beginn der Aufklärung lässt sich nicht eindeutig festlegen. Dies ist bei einer so weitreichenden geistigen Strömung aber normal.

Kant definiert Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Aufklärung will die Vernunft fördern. Man meint, in Vernunft sei die Moral eingelagert, so dass mit Erhöhung der Vernunft auch die Moral steigen müsse. Aufklärung will Selbstbestimmung der Menschen, Toleranz, Gewissensfreiheit und setzt dabei auf die Kommunikation gedanklich freier, vernünftiger menschlicher Einzelwesen.

Renaissance, Humanismus, Reformation, Demokratie, aber auch zumindest Teile des Marxismus, Psychoanalyse und Evolutionstheorie sind einige der Kinder und Beförderer der Aufklärung.

Die Aufklärung nahm insbesondere in Frankreich und Deutschland verschiedene Wege und rief unterschiedliche Reaktionen hervor. Sie reichten und reichen von hoher Anerkennung bis Ablehnung.

Die Aufklärung ist m. E. weder beendet noch erfüllt mit der französischen Revolution, wie einige Historiker meinen.

 

Text/Bild: UM

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