Gedanken zur jüngeren deutschen Geschichte

3. März 2015

Das Ende des 2. Weltkriegs und der Nazidiktatur jähren sich zum 70. Mal. Deshalb sollen in diesem Heft der IfS und in folgenden historisch-philosophische Gedanken und Beschreibungen zu der Zeit zwischen dem Ende des Ersten und Zweiten Weltkriegs dargestellt werden, um diese für die deutsche Identität wichtige Zeitspanne der jüngeren Geschichte nicht aufzuarbeiten – das wäre maßlos übertrieben -, aber ins Bewußtsein zu rufen. – Die Artikelreihe beginnt mit der Aufklärung, da das Dritte Reich in seiner Ethik und Mentalität trotz seiner möglicherweise aufklärerischen mörderischen Effizienz das schlechthinnige Böse verkörperte und damit die positiven Ziele der Aufklärung in ihr Gegenteil verkehrte. – Wer mehr über die Aufklärung und einige ihrer Repräsentanten erfahren will, besuche bitte einige Stelen des Europäischen Geschichtswegs in Sögel (Kant, Erasmus von Rotterdam, Erklärung der Menschenrechte, polnische Verfassung von 1791, Hambacher Fest u. a.).

 

Die Aufklärung

-Frühe Wurzeln der Aufklärung-

 

Umgangssprachlich versteht man unter „Aufklärung“, dass jemandem etwas ihm Unbekanntes erläutert wird oder dass er sich selbst Wissen über Neues aneignet. Ideengeschichtlich meint „Aufklärung“ mehr. Im Englischen heißt sie „enlightenment“ (Erleuchtung), französisch wird sie

„les lumières“ (die Lichter) genannt. Beide Begriffe weisen darauf hin, dass das Zeitalter der Aufklärung sich klar vom sog. dunklen Mittelalter abhebt. Während für den mittelalterlichen Menschen in Europa ein Leben ohne Herrn über sich nicht vorstellbar war, setzt die Aufklärung, um dies vorweg zu nehmen, den selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Menschen in den Mittelpunkt, der den Mut hat, seinen Verstand, seine Vernunft zu gebrauchen, wobei ein Wachsen von Verstand/Vernunft infolge vorurteilsfreier „Wissenszufuhr“ auch eine Erhöhung der Moral bedeutet . –  In einem kurzen Abriss versuche ich, Aufklärung näher zu erläutern.

Eine so breite, unglaublich wirkkräftige geistige Strömung wie die Aufklärung kann in ihrem Beginn ebenso wenig klar bestimmt werden wie in ihrem Ende (siehe unten). Hier gilt die Erkenntnis des frühen Humanisten und Klerikers Nikolaus von Kues: „Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen.“ Will sagen: Wir können weiter sehen als die Riesen. Unser Wissens- und Erkenntnisgewinn ist niedriger als der der Altvorderen. Gleichwohl sind unser Gesamtwissen und unsere gesamte Erkenntnis höher als die unserer Vorfahren, da wir auf deren Erkenntnissen aufbauen.

Die Frage ist berechtigt, ob Aufklärung bereits im Christentum, vor allem im Leben und Wirken Jesu Christi angelegt ist. Dabei hat die kath. Kirche schon mit dem Satz „extra ecclesiam nulla salus“ (außerhalb der Kirche kein Heil) voraufklärerisches  Aufklärungsgedankengut zumindest kontrolliert. Die orthodoxe Kirche hätte es vermutlich leichter mit der Aufklärung gehabt, da sie der Meinung ist, Verstand und Vernunft kämen von Gott, und deshalb die alten Philosophen als Vorläufer von Heiligen verehrt. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass alle christlichen Kirchen mehr oder weniger Probleme mit der Aufklärung hatten und haben. Als Reaktion hierauf, aber nicht nur hierauf, zeigten sich die Meinungsführer der Aufklärung im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts (u.a Voltaire, Diderot) besonders antikirchlich und antichristlich.

Man kann darüber debattieren, ob die mittelalterliche Scholastik eine der Wurzeln der Aufklärung ist, da in der Scholastik versucht wurde, mittels Rede und Gegenrede Fragen zu klären und Beweise zu führen, also über die Befolgung mystischer Glaubenssätze durch Einsatz der Vernunft hinauszugehen. – Eventuell ist Aufklärung auch im Menschen in der Form von Wahrheitssuche angelegt, insbesondere, wenn man Thomas von Aquins Definition „adaequatio rei et intellectus“ (Angemessenheit/Entsprechung von Geist und Erkenntnis/Verstand) als Wahrheitsdefinition akzeptiert. – Im Hochmittelalter bildeten sich die ersten Universitäten (lat. universitas = Gesamtheit) als stationärer Zusammenschluss der Lehrenden und Lernenden.

Um 1400 n. Chr. verfasste Johannes von Saaz  ein langes Gedicht: „Der Ackermann von Böhmen.“

Der Ackermann streitet mit dem Tod und klagt ihn an wegen des Sterbens der Ehefrau. Am Ende unterwirft der Ackermann sich zwar dem Schiedsspruch Gottes, hat sich aber vorher nicht demütig dem höheren Ratschluss gebeugt. Zudem ist kein Bürger oder Adeliger der Ankläger, sondern ein Bauer, also ein Angehöriger der untersten, fast sozial verachteten Schicht. – Dieses Gedicht kann als einer der ersten literarischen Hinweise auf die Aufklärung bezeichnet werden.

 

Text/Bild: U

Fortsetzung im nächsten Heft der IfS

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