Kriegslied – Kriegsleid

21. September 2014

Die Antikriegsausstellung „Sögel im Ersten Weltkrieg“ des Forums Sögel

 

Sögel – In seinem Kriegslied beginnt der Dichter der Empfindsamkeit Matthias Claudius: „ ’s ist Krieg!  ’s ist Krieg!“ Das liest sich fast wie die Jubelrufe deutscher und europäischer Kriegsbegeisterter zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Die Jubelrufe bleiben im Hals stecken mit den letzten beiden Versen der Strophe: „’s ist leider Krieg – und ich begehre, // nicht schuld daran zu sein!“ Dieses Begehren äußerte auch Wilhelm II in seinem Aufruf an das deutsche Volk vom 6. 8. 1914, mit dem er sinngemäß behauptete, ein Präventivkrieg zum Schutz des Reiches werde dem deutschen Volk aufgezwungen. Vergleichbare Aufrufe dürfte es bei allen Kriegsteilnehmern gegeben haben. (Die Behauptung eines aufgezwungenen Präventivkriegs zur eigenen – im wahrsten Sinne des Wortes – Entschuldigung ist bis heute nicht aus der Mode gekommen.) Der „Katholische Volksbote“ titelte am 9. 8. 1914: „Frisch auf, mein Volk, die Flammenzeichen rauchen“. Die Ems-Zeitung rief bereits am 4. 8. 1914 aus: „Es muß sein – darum: Mit Gott für König und Vaterland“. Die publizistischen Aufforderungen bei anderen Kriegsteilnehmern ließen sich mit diesen austauschen. Ein Sieg der Deutschen bei Warschau am 5. 8. 1915 wurde in Sögel mit der Festrede eines Geistlichen gefeiert. Claudius endet die ersten beiden Zeile seines Kriegslieds  „… O Gottes Engel wehre, //  und rede Du darein“. Damit ist Claudius seiner Zeit weit voraus und entspricht eher der heutigen Meinung in weiten Teilen Europas über Krieg und nicht der für uns kaum verständlichen Kriegsverherrlichung vor 100 Jahren.

In der dritten Strophe schreibt Claudius: „Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten, // verstümmelt und halbtot // im Staube sich vor mir wälzten und mir fluchten // in ihrer Todesnot?“.  Ein Hüvener Gefreiter fiel am 9. 6. 1918. Er hat in seiner Todesnot vielleicht auch seinen „Kriegsherrn“ verflucht. Dafür erhielt er seine monatliche Löhnung von 24,- Mark bis zum 10. 6. und vom 11. 6. bis zum 10. 9. 1918 eine Gnadenlöhnung von 24,- Mark. Dies sollte wohl eine Großzügigkeit des „Kriegsherrn“ sein. Sie spiegelt jedoch keine „Gnadenlöhnung“ wider, sondern in ihrer bürokratisch-akribischen Genauigkeit die gnadenlose Eiseskälte von Krieg.

Solche Dokumente, Exponate, Fotos und viele andere Erinnerungen an einzelne Kriegsschicksale aus Sögel und den Nachbarorten waren Teil der Ausstellung des Forums „Sögel im Ersten Weltkrieg“ in Sögels Rathaus – Ludmillenhof. Eingebettet in sechs Abschnitte – Sögel am Vorabend des Ersten Weltkriegs; Soldaten aus Sögel, Waldhöfe und Eisten; Kriegsalltag in Sögel; Einzelschicksale; Kriegsende; Nachbarorte im Ersten Weltkrieg –  zeigte die Ausstellung erschütternde Biographien von Soldaten, deren Nachfahren heute noch hier leben, und gab namentliches Zeugnis ab von den über 250 Gefallenen der hiesigen Region, vom Einschmelzen von Glocken sowie Orgelpfeifen, von der Not der Landwirtschaft und Ernährung, von unsäglichen Einsparungen im privaten Bereich oder von der Kriegsverherrlichung auf Postkarten und sogar für Kinder (z. B. „Wir spielen Weltkrieg – ein zeitgemäßes Bilderbuch für unsere Kleinen“). Die Ausstellung mit dem Blickwinkel von unten auf den Krieg, auf die Auswirkungen in der unmittelbaren Heimat und auf den leidenden Menschen endete am 31. August und wird ab 15. September bis Mitte Oktober in der Mensa des Schulzentrums Sögel präsentiert. Dort, wie auch im Forum Sögel und in den örtlichen Buchhandlungen, ist das Begleitbuch zur Ausstellung für 12,- € erhältlich.

Text/Bild: UM

    

    

  

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