Mit schwäbischer Sparsamkeit zum eigenen Fahrrad

1. Juli 2011

Ein Umzug in eine unbekannte Umgebung stellt einen jungen Mann vor neue Aufgaben. Einkäufe, Wäsche oder die Anschaffung von  Einrichtungsgegenständen müssen selbst erledigt werden und sind in den Tagesablauf zu integrieren. 
Vor allem für Erstgenanntes ist eines unabdingbar: die Mobilität, die gleichzeitig Flexibilität bedeutet.
So stand ich vor einigen Wochen also vor der Entscheidung, ein Auto anzuschaffen, mich völlig auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu verlassen oder mir ein Fahrrad zu kaufen. Ein Auto in Tübingen zu besitzen bedeutet allerdings auch eine ganze Menge Frust, denn die Stadt hat es sich zum Ziel gemacht, Autofahrern das Leben schwer zu machen. Überall Einbahnstraßen, Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigte Straßen können dem einen oder anderen sicher die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Ich dagegen begrüße die Maßnahmen der Stadt im Übrigen auch angesichts der Tatsache, dass man in Tübingen kein Auto braucht. In der „Stadt der kurzen Wege“ sind die zentralen Plätze und Einrichtungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad in zehn bis zwanzig Minuten zu erreichen.

Folglich entschied ich mich nach einer einwöchigen Testphase, die ich den öffentlichen Verkehrsmitteln zugestand, für ein Fahrrad, um nicht mehr von den Fahrplänen der Busse abhängig zu sein. Zudem konnte ich die Zeit, die ich mit dem Warten verbracht hätte, dazu nutzen, mein Ziel schon zu erreichen.

Nun musste ich nur noch eine Hürde überwinden und möglichst günstig an ein möglichst gutes Fahrrad zu kommen. Glücklicherweise veranstalten die erstaunlich zahlreichen Fahrradclubs regelmäßig Flohmärkte, auf denen private Anbieter alte oder nicht mehr benötigte Fahrräder verkaufen. Auf dem Weg zu besagtem Flohmarkt fragte ich mich, warum es so viele Fahrradclubs in Tübingen gebe. Aus meiner Perspektive ist die Umgebung hier doch recht bergig. Andererseits dachte ich, mir als Hümmlinger erscheint wahrscheinlich alles, was höher als der Windberg ist, wie ein Berg der Kategorie Zugspitze.

Auf dem Markt musste ich nicht lange suchen. Sofort fiel mir ein Rennrad ins Auge, das einen ziemlich hohen Rahmen besaß und meiner Körpergröße von 1,90 m damit perfekt entgegenkam. Ein Blick auf den Preis beseitigte meine ohnehin nur minimal vorhandenen Zweifel. 40 € wurden verlangt für dieses Rad, das bis auf leichte Lackschäden keine Mängel aufwies. Im Gespräch mit dem Verkäufer sollte sich später herausstellen, dass es vor über zwanzig Jahren 2000 DM gekostet hatte. Ich zögerte also nicht und griff zu, was sich schon nicht einmal fünf Minuten als richtige Entscheidung bestätigen sollte. Postwenden trat ein Interessent an mich heran und unterbreitete mir ein Angebot: „Ich gebe dir 50 € für das Rad.“ Dankend lehnte ich ab und fuhr zufrieden nach Hause…

Josef Becker lebt und studiert seit April 2011 in der schwäbischen Universitätsstadt Tübingen, die rund 40 Kilometer südlich von Stuttgart liegt. Seine Erfahrungen als Emsländer in Süddeutschland werden regelmäßig in einer Kolumne erscheinen.

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