Ein Trikot vom Lieblingsverein Bayer Leverkusen zum 40. Geburtstag

1. April 2011

Irgendwann ist Gereon Stein Fan von Bayer Leverkusen geworden. Warum, weiß er selbst nicht genau. „Spielen halt gut“, sagt er einfach nur. Sein Vater Peter-Wolfgang meint, es läge vielleicht daran, dass Gereon ja quasi der Hauptsponsor für die Mannschaft des Pharmakonzerns sei. „Soviel Medikamente, wie er jeden Tag schlucken muss“. Denn Gereon ist behindert, hat massive gesundheitliche Probleme. Seine Familie und er versuchen es mit sehr großer innerer Kraft und mit Humor zu tragen.

Als Kind ist Gereon an Diabetes erkrankt. Irgendwann müssen Nieren und Bauchspeicheldrüse transplantiert werden, im Verlauf einer weiteren Operation erleidet er einen Schlaganfall. Seit 1998 ist Gereon auf einen Rollstuhl angewiesen, muss mindestens ein halbes Dutzend Tabletten am Tag schlucken – aber immerhin: er lebt. „Ihm wurden die Organe eines Ochsen eingepflanzt“, meint sein Vater, der sich mit seiner Frau und Gereons Geschwistern in Spahnharrenstätte aufopfernd um seinen Sohn kümmert. „Man richtet sich im Leben halt auf alles ein“, sagt Peter-Wolfgang Stein.

Sein Immunsystem allerdings ist sehr geschwächt. Immer wieder zieht er sich Lungenentzündungen zu. Dann muss er ins Hümmling-Krankenhaus in Sögel. „2-, 3-, 4-mal im Jahr ist er mindestens hier“, sagt Schwester Anke von der Inneren Abteilung und fügt hinzu: „Mit einer normalen Lungenentzündung gibt sich unser Gereon nicht zufrieden. Es wird oft dramatisch.“

Schon mehrmals hätten die Pflegekräfte und Ärzte damit gerechnet, „dass wir bald den Butterkuchen bereit stellen können.“ Doch Gereon ist ein zäher Typ. Er selbst zeigt eine Hand, streckt alle Finger aus, sagt: „5“ – das Sprechen fällt ihm schwer, die Stimme ist angegriffen, manchmal fehlen die richtigen Worte. 5 Jahre gibt sich Gereon selbst noch. Dann ist er 45 Jahre alt. „Wir wollen aber auch noch Deinen 50. feiern“, ermahnt Schwester Anke ihn. Gereon winkt ab. Dann lässt er sich doch auf einen Kompromiss ein. „Okay, noch 10, vielleicht aber auch nur

6 oder 7.“ Schwester Anke meint: „Dann musst Du aber auch endlich mal mit dem Rauchen aufhören.“ Doch da versteht Gereon keinen Spaß. „Nee, nee, dann mach ich halt nur 2 Jahre.“

Für Außenstehende dürfte dieser schwarzhumorige und lockere Umgang mit dem Allerschlimmsten schwer nachzuvollziehen sein – aber vielleicht ist es gerade dieses Lachen-Können-Trotzdem, das der der Familie und allen Beteiligten Halt und Stütze gibt.

Das Rauchen ist sozusagen Gereons Hobby. Sobald bei einem seiner vielen Krankenhausaufenthalte der „Tannenbaum“, also der Ständer mit den Infusionsflaschen, wegkommt, zieht es ihn sofort wieder nach draußen. Gereon malt eine „2“ und eine „5“ auf den Tisch: 25 Zigaretten am Tag raucht er. Seiner Genesung dient das natürlich nicht, aber: „Wir haben uns damit abgefunden“, gibt Schwester Anke zu. Zumal Gereon seine Sympathiepunkte schon mal danach verteilt, wer ihm bei seinem Drang zum Nikotin am meisten entgegenkommt.

Derzeit hat Karl-Heinz Henke da die Nase vorn. Der Krankenpfleger begleitet Gereon sogar vor die Tür, wenn dieser eine dampfen geht. Aber auch sonst haben die beiden eine enge Verbindung aufgebaut. Henke hat seine Ausbildung im Hümmling-Krankenhaus absolviert, auf der Inneren Abteilung, wo Gereon häufig sein Patient war. Jetzt arbeitet Henke auf der Intensivstation, und auch dort wurde Gereon einige Male eingeliefert.

Doch nicht nur Karl-Heinz Henke und Schwester Anke sind im Krankenhaus Gereon‘s Bezugspersonen. „Den kennt hier jeder. Gereon ist der ‚Star‘ in unserem Krankenhaus“, erzählt Schwester Anke. So wurde kürzlich Gereons 40. Geburtstag hier gefeiert – und er bekam ein besonderes Geschenk: Ein Trikot von seinem Lieblingsverein Bayer Leverkusen, mit den Autogrammen der Spieler. Krankenpfleger Karl-Heinz Henke hatte es besorgt, und musste für seinen Patienten, seinen Freund, ganz schön hartnäckig sein. „Da waren schon einige Anrufe und Faxe nötig, bis der Verein reagiert hat.“

In seinem neuen Trikot war Gereon jetzt sogar im Stadion, hat seine Mannschaft im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart angefeuert. „Erste Halbzeit Daumen runter, dann zack zack“ – so lautet Gereons Analyse: Nach 2:2 zur Halbzeit hat Leverkusen 4:2 gewonnen. Deutscher Meister wird Leverkusen in dieser Saison wahrscheinlich dennoch mal wieder nicht. Um das noch zu erleben, muss Gereon noch ein paar Jahre mehr dranhängen. Noch so ein Fall für das Lachen-Können-Trotz-Alledem.

Text/Foto: B. Dieckmann

Gereon Stein mit Karl-Heinz Henke, Schwester Anke und seinem Vater Peter-Wolfgang Stein im Hümmling-Krankenhaus. B.-Dieckmann-Foto

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