Eröffnung der Ausstellung „Was konnten sie tun?“ Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1939 – 1945 am Freitag, 12.September 2014 in der Geschichts- und Zukunftswerkstatt des FORUM Sögel e.V. Einführungsworte des Vorsitzenden Bernd Eggert

Vor wenigen Wochen jährte sich der Tag des Attentats auf Adolf Hitler und des gescheiterten Umsturzversuchs zum 70. mal. Der 20. Juli wurde in der Geschichte der Bundesrepublik als der zentrale Gedenktag ausgewählt, der an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnern soll. Standen in den 50er und 60er Jahren die Hauptpersonen insbesondere des militärischen Widerstands im Fokus der Gedächtnisveranstaltungen, so öffnete man sich später sukzessive  für weitere Gruppen und Einzelpersonen der Widerstandsbewegung. Heftig kontrovers diskutiert wurde zum Beispiel die Frage, die Angehörigen der Kommunistischen Partei in den Kreis der Widerständler mit einzubeziehen. Dieser nicht zuletzt durch die Wiedervereinigung Deutschlands beflügelte Prozess konnte weitestgehend abgeschlossen werden. Es blieb aber dabei, dass vornehmlich der Männer und  Frauen der ersten und zweiten Reihe gedacht wurde. Die vielen, vielen und doch viel zu wenigen Menschen, die dahinter standen, die Widerstand im Kleinen leisteten, auch hier im Emsland und in Sögel, blieben und bleiben zumeist unerwähnt. Denken wir an den Kapuzinerpater Ludger Berges aus Sögel, der Briefe von KZ-Häftlingen nach draußen schmuggelte und zum Schutz vor Gestapo-Zugriff von Richter Hüsing im hiesigen Amtsgericht inhaftiert wurde. Denken wir an den Molkereifahrer Bernhard Büter aus Wehm, der wegen, wie es hieß „Wehrkraft zersetzender“ Äußerungen auf dem Weg zur Ostfront verhaftet und in Berlin erschossen wurde. Denken wir an die vielen anderen, die jüdischen Mitbürgern und Zwangsarbeitern durch Verstecken, Lebensmittelzuwendungen und mehr geholfen haben. Wer kennt schon den damaligen Oberst Wilhelm Staehle aus Neuenhaus in der Grafschaft Bentheim. Seine Mutter war Holländerin Er sprach fließend holländisch und war der Mittelsmann zu den holländischen Widerstandsgruppen. Noch am 23.April 1945 wurde er in Berlin von einem Kommando der Sicherheitspolizei erschossen.

Die heute zu eröffnende Ausstellung gilt vornehmlich all denen, die im Hintergrund standen. Sie soll zeigen, wie vielfältig die Formen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus waren.

Natürlich können hier nur beispielhaft Personen und Gruppen und deren Handeln gezeigt werden. Sie stehen jedoch für alle diejenigen, die auf unterschiedliche Weise und aus ebenso unterschiedlichen Beweggründen gegen das Nazi-System opponiert  und dabei sich größter Gefahren ausgesetzt haben. Waren es hier im Emsland überwiegend religiöse Motive, die die Menschen bewegten, so waren sie gerade in den Städten mehr von weltanschaulichen, politischen und gewerkschaftlichen Gründen angetrieben. Alle vereinigte jedoch ein Ziel: die Schrecken der Nazi-Herrschaft und des Krieges zu beenden. An dieser Stelle sei die sicherlich abstrakte Frage erlaubt: Wie hätten wir uns denn selbst verhalten?

Die Erinnerungskultur zum Nazi Widerstand hat in Deutschland und darüber hinaus einen schwerfälligen und bisweilen schlecht nachvollziehbaren Weg genommen. Direkt nach Kriegsende bis hinein in die 50er Jahre bezeichneten über 40 % der Deutschen die Männer und Frauen des Widerstands noch als Vaterlandsverräter, der schwerwiegendste Vorwurf überhaupt, wo sie es doch waren, die das Vaterland retten wollten. Dem Widerstand angehört zu haben, galt in keinem der Bundesministerien als Einstellungsempfehlung, im Gegenteil, es war ein unausgesprochener Ablehnungsgrund. Was waren die Ursachen für ein derartiges Verhalten? Bekanntlich befanden sich in der neuen Administration, selbst in hohen Positionen eine Reihe von belasteten Beamten und Politikern, die ihren Einfluss dahingehend geltend machten. Festzustellen ist aber auch, dass es sich bei einem gewissen Teil der Widerständler, gerade im Offizierkorps nicht um überzeugte Demokraten handelte, sondern eher um konservativ-monarchistisch geprägte Personen. Wie man von Staats wegen mit den Menschen umging, zeigt auch folgendes Beispiel: Den Witwen von Hingerichteten wurde unter Hinweis auf den Bestand der unsäglichen Volksgerichtshofsurteile die Rente oder Pension verweigert. Zur Unterstützung der Witwen und Kinder der Ermordeten und auch der wenigen Überlebenden gründete man das „Hilfswerk 20. Juli 1944“. Der Staat bezuschusste zwar, hielt sich ansonsten aber weitgehend zurück. Wie schwer sich die junge Bundesrepublik im Umgang mit dem Widerstand tat, zeigen auch andere Beispiele. Einen nationalen Gedenktag zu schaffen oder Beflaggung der öffentlichen Gebäude zu veranlassen, fand keinen Widerhall. Letzteres ließ sich nur in Berlin und Hessen durchsetzen. Selbst die Alliierten verschwiegen die Anerkennung eines deutschen Widerstands. So durfte zum Beispiel Fabian von Schlabrendorf  1949 sein Buch „Offiziere gegen Hitler“ nicht in Deutschland veröffentlichen. Die Amerikaner lehnten es ab. Es wurde in der Schweiz gedruckt. Was stand dahinter? Bereits in den Kriegsjahren verweigerte man alliierterseits die Unterstützung deutscher Widerstandsbestrebungen. Man wollte die bedingungslose Kapitulation erreichen und keine vorgezogenen Friedensverhandlungen akzeptieren. In der unmittelbaren Nachkriegszeit sollte die nationale Schuld der Deutschen nicht angetastet werden. Dass es auch andere Deutsche gab, durfte keinen Platz haben in deren Vorstellungen im Umgang mit den Besiegten.

Warum zeigen wir diese Ausstellung?

Wie erwähnt, wollen wir an die Männer und Frauen erinnern, die bislang meist im Schatten der öffentlichen Gedenkveranstaltungen standen und immer noch stehen, ihnen ein Gesicht und einen Namen geben. Hier vor Ort in der Werkstatt haben wir dem örtlichen Widerstand einen Platz in unserer Präsentation gewidmet.

Angesichts einer zeitgemäßen und zukunftsorientierten Erinnerungsarbeit ist es aber auch unser erklärtes Ziel, das Thema Widerstand in die heutige Zeit zu projizieren. Sicherlich muss man Widerstand stets im zeitlichen und systemrelevanten Kontext sehen. Widerstand im Nationalsozialismus ist nur bedingt vergleichbar mit den Entwicklungen in der DDR, die letztlich in der friedlichen Revolution mündeten.

Wie ist nun Widerstand in seinen verschiedenen Ausprägungen – von Ablehnung über passiven bis hin zum aktiven Widerstand – in unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu verstehen?

Denken wir an Gorleben, an Stuttgart 21, an die Nachrüstungsdebatte unter Kanzler Helmut Schmidt, nur wenige Beispiele, wo staatliches Handeln von heftigen Protesten begleitet wurde.

Wie passt sich Widerstand in unser Rechtssystem ein?

Welche Handlungsmöglichkeiten bietet der Rechtsstaat?

Wo sind die Grenzen widerständigen Handelns?

Schon diese wenigen Fragestellungen machen deutlich, dass Aufklärungs- und Diskussionsbedarf besteht.

Meine Damen und Herren, Antworten darauf zu geben, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. In unserem neu herausgegebenen Bildungsangebot – Sie finden es in dem ausliegenden Flyer – haben wir unter der Überschrift „Demokratisches Bewusstsein und Widerstand“ der ausführlichen Behandlung dieses Themas einen Platz gegeben. Mit der heute zu eröffnenden Ausstellung und mit unserem vertiefenden Themenangebot richten wir uns insbesondere an Schulklassen und Jugendgruppen mit dem Appell:

-hinschauen statt wegschauen,

-informieren und einmischen,

-gewappnet sein gegen jede Form extremistischen Gedankenguts   und Handelns.

Dank sagen möchten wir der Stiftung 20.Juli 1944 sowie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand  für die Überlassung der Ausstellung, die in diesem Gedenkjahr besonders nachgefragt ist.

Herzlichen Dank auch an die Katholisch Öffentliche Bücherei, dass wir heute ihre Räumlichkeit mitnutzen dürfen. An die Vertreter der Schulen und Vereine richten wir die Bitte, nutzen Sie die Möglichkeit des Ausstellungsbesuchs und unseres Themenangebots.

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