Ein Hauch von Steinzeit

4. Juli 2016

„Kennst Du das Land, nein, nicht wo die Zitronen blühen, sondern wo Berge Mt. Hagen oder Kaiser-Wilhelm-Spitze und das Meer Bismarck-See heißen?“ Könnte Namibia sein, ist aber noch entlegener: PNG oder Papua Neuguinea. Ein Teil davon gehörte bis zum Ersten Weltkrieg zum kurzlebigen deutschen Kolonialreich unter dem Namen Kaiser-Wilhelm-Land. – Das Reisen dort ist auch heute noch ein Abenteuer. Dichte Urwälder, steile Berge, unberührte Täler, Hunderte von Sprachen, trotz christlicher Missionierung Geisterglaube, Ahnenverehrung, Menschen, die gerade erst dabei sind, die Steinzeit zu verlassen, Unklarheit, ob nicht gelegentlich ein Mensch im Erdofen gegart wird, breite Flüsse mit gefräßigen Salzwasserkrokodilen, von Moskitos verseuchte Sümpfe. Kurz, ein Land mit Gebieten, wie sie von den ersten Entdeckern durchstreift wurden.

Die Menschen begegnen einem mit kindlicher Neugier und einem freundlichen Lächeln, das die von Bethel  geschwärzten Zähne bloßlegt. Man verlässt sich auf ihre Fähigkeiten, im Dunkeln riesige treibende Baumstämme und Krokodile zu umschiffen, wenn man acht Stunden im Einbaum auf dem Sepik, dem sog. Amazonas Papua Neuguineas, fährt und der nächtliche Horizont von den Blitzen eines grandiosen Tropengewitters, das die Kulisse zu einer Wagneroper sein könnte, durchzuckt wird. Aber alle Strapazen lohnen sich. In dem einen Dorf erlebt man eine gespenstische Ahnenbeschwörung, im nächsten wird der Kampf gegen einen Waldgeist geboten, der Kinder verschleppt und tötet. Bei Tanz- und Maskenfesten offenbaren die Menschen Bewegungs- und Schminkfähigkeiten, die so manchen europäischen Choreographen und Maskenbildner ins Grübeln brächten. Mit diesen Sing-Sing genannten Festen, die als Wettbewerbe fungieren, haben die Papua eine Methode entwickelt, um die Zahl der Stammeskriege zu reduzieren. Besonders bizarr erscheinen die Lehm- oder Schlammmänner, die mit Helmen aus Lehm Geister beschwören und Feinde abschrecken. Ein weiteres Dorf erreicht man über eine aus einem Baumstamm bestehende Brücke – immerhin mit Geländer -, um dort der Verehrung des gefürchteten Krokodils im Krokodiltanz beizuwohnen. Die Männer lassen sich zum Schutz mit Narben schmücken, die die geschuppte Krokodilhaut symbolisieren.

Neben uns fremden menschlichen Sitten, bemalten Geisterhäusern – eins wird sogar Sixtinische Kapelle von PNG genannt -, bunten Märkten, Paradiesvögeln  und zerklüfteten Urwaldbergen bietet PNG an der Nordküste idyllische Südseeatmosphäre mit vorgelagerten Vulkaninseln und unberührten Tauchgründen. Schade, dass die Insel so weit weg liegt. – „See you behind“ (Pidgin-Englisch von PNG für auf Wiedersehen) –

Das nächste Land liegt mit  etwa elf Flugstunden näher. Dort bewiesen Funde vor fast hundert Jahren, dass Saurier Eier legten.

Text/Foto:UM

    

    

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