Gedanken zum Reformationstag 2010

1. Oktober 2010

Jedes Jahr am 31. Oktober erinnert sich die evangelische Kirche an ein Ereignis vor nunmehr 493 Jahren. Am Vorabend des Allerheiligenfestes brachte der Augustinermönch  und Theologieprofessor Martin Luther an die Tür der Wittenberger Schloss- und Universitätskirche ein Plakat an, auf dem er zu einer öffentlichen Diskussion aufforderte. Der Eingangssatz auf diesem Plakat zu seinen 95 Thesen ist berühmt geworden und lautet: „ Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze disputiert werden.“

Was einen Mann wie ihn tief bewegte, dass berührt – wenn man die zeitbedingten Umstände einmal abstreift – auch die Sinnfrage des heutigen Menschen. Luther entdeckte im Evangelium so etwas wie ein befreiendes Erlebnis, das Menschen in ihrer Angst und Verlorenheit aufatmen lässt – auch heute.

Waren es damals die religiösen Leistungen, so sind es jetzt die Alltagsleistungen, nach denen wir gemessen und beurteilt werden.

Wer krank, behindert, alt oder arbeitslos ist, wer nichts mehr bringt, wird schnell abgeschoben. Überhaupt verführt uns unsere Leistungsgesellschaft zu der irrigen Vorstellung, das persönliche Glück, die Lebensqualität könne quasi auf eigene Faust erkauft werden.

Gott sei Dank erkennen immer mehr Menschen, dass das eigentlich Schöne und Wertvolle im Leben nicht durch Leistungen errungen wird. Es ist gratis zu haben. Ein unbeschwerter Urlaubstag; ein gutes Gespräch unter Freunden; das ausgelassene Spiel mit den Kindern; ein von Herzen kommender Kuss, ein freundliches Lächeln; die wiedererlangte Gesundheit. Das alles ist ein Geschenk. Herbeizwingen kann man es nicht.

Luther hat die Gnade Gottes neu entdeckt – als Geschenk, nicht als unser Verdienst. Ein Geschenk also. Was machen wir damit? Links liegen lassen – verpackt und ungeöffnet? Oder nehmen wir es dankbar an und öffnen es und finden den Sinn, die Mitte des Lebens?

Den Weg dahin weist Martin Luther in seiner ersten Ablassthese: „ Da unser Herr und Meister Jesus Christus sagt: Tut Buße (kehrt um), wollte er, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein sollte“, das ganze Leben also Hinwendung zu Gott. Dann füllt uns Gott unsere Herzen und Hände.

Martin Luther war sich nicht bewusst, dass er mit seinen Thesen solch eine enorme Lawine lostreten würde, die schließlich sogar eine neue Kirche hervorbrachte.

Ganz sicher hat er mit seinen Thesen sogar auch die katholische Kirche beeinflusst, die im Konzil von Trient
(1545 – 1563) und erst recht im 2. Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) viele von Luthers Ideen aufgriff, ohne jemals seinen Namen zu nennen. Wir Christen sollten den Reformationstag gemeinsam begehen in der Erinnerung an die Grundlage unseres Glaubens: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1. Kor 3,11).

Wir sollten uns aber auch bewusst sein, das der Reformationstag Teil unserer Kultur ist. So sollten wir alles dazu tun, dass der aus den USA überschwappende Halloween-Kult, bei dem man ausgehöhlte Kürbisse mit Lichtern beleuchtet und Kinder als Gespenster verkleidet, nicht weiter um sich greift. Denn als Christen wissen wir: Gott wendet sich uns zu – in Liebe – umsonst. Wir haben Besseres zu bieten als geschmacklose Gruselfeste.

Text: Pfarrer Uwe Hill

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