„Advent im FORUM“

Inzwischen ist es schon zu einer kleinen Tradition geworden, dass sich die Mitglieder und Freunde des FORUMs jeweils am Dritten Advent in der Geschichts- und Zukunftswerkstatt zu einem gemütlichen Nachmittag zusammenfinden. Wie immer stand er auch in diesem Jahr unter einem besonderen Motto. Das Thema lautete „Arbeitsmigration gestern und heute“. In seinen einführenden Worten machte der Vorsitzende, Bernd Eggert, deutlich, dass es grundsätzlich Armut und Not seien, die die Menschen bewegten, ihre Heimat zu verlassen und woanders ihr Glück zu suchen. Aus deutscher Sicht sei natürlich eine zweiseitige Betrachtung der Thematik erforderlich. Zum einen aus der Perspektive der Auswanderer, zum anderen aus dem Blickwinkel der Aufnehmenden. Gerade aus der hiesigen, damals ärmlichen Region waren es die so genannten Hollandgänger sowie die überwiegend nach Amerika ausgewanderten Menschen, die allesamt unter großen Strapazen versuchten, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Umgekehrt gibt es in der Geschichte eine Reihe von Beispielen, wo Menschen aus anderen Ländern hier bei uns „Arbeit und Brot“ fanden. Die Gastarbeiter aus vorwiegend südeuropäischen Ländern in den 1960er Jahren zählten zu der größten Gruppe. Obwohl sie nicht unwesentlich zum Erfolg des Wirtschaftswunders beitrugen, ist man seinerzeit nicht immer freundlich mit ihnen umgegangen. Abfällige Witze und diskriminierende Bezeichnungen sind vielen noch in Erinnerung. Aus heutiger Betrachtung ergibt sich glücklicherweise eine völlig andere Sicht. Unser kulturelles Leben hat in vielerlei Beziehung eine Bereicherung erfahren. Nicht zu vergessen, dass einer großen Zahl von Betroffenen das hier verdiente Geld zu einer selbstständigen Existenz in ihrer Heimat verholfen hat.

An dieser Stelle ist der Bogen zu spannen zur aktuellen Situation in Sögel, wo ca.1.200 Menschen überwiegend aus Bulgarien, Polen, Rumänien und Ungarn Arbeit im hiesigen Schlachthof finden. Das ist die größte Gruppe. In verschiedenen anderen Berufen und Tätigkeitsfeldern gilt ähnliches. Das früher benutzte Wort „Gastarbeiter“ impliziert, dass wir sie wie Gäste behandeln, die ihren Teil beitragen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region, wir ihnen also mit Respekt, Achtung und –wo nötig – unterstützend entgegenkommen.

Soweit zum thematischen Einstieg.

Den Hauptteil des adventlichen Nachmittags bestritt Holger Lemmermann, in dem er sein jüngstes Buch „Auswanderer vom Hümmling in Amerika“ vorstellte. Mit einer Reihe von Veröffentlichungen gilt Lemmermann als überaus anerkannter und geschätzter Fachmann der regionalen Geschichtsforschung. Zunächst getrieben von persönlichen Ansätzen zur eigenen Ahnenforschung, machte er sich auf den Weg, die Schicksale von Auswanderern vom Hümmling zu erforschen. Gespannt verfolgten die Zuhörer die Entstehungsgeschichte seines neuen Werks. Wie ist er vorgegangen, welche Quellen hat er benutzt, welchen Schwierigkeiten ist er begegnet? Alle diese Fragen und mehr beantwortete Lemmermann auf seine ihm eigene sachlich  humorvolle Weise.

Anschließend beleuchtete er Einzelschicksale von Hümmlinger Menschen, die den Sprung über den „großen Teich“ gewagt und erlebt haben. Nicht alle freiwillig. Der ein oder andere verließ seine Heimat unter Zwang, um dem Gefängnis oder dem Wehrdienst zu entgehen. Die Bilderbuch-Karriere „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ war im Ansatz nur wenigen vergönnt. Viele haben Unglaubliches geschafft, die meisten etablierten sich im Mittelstand, andere wenige sind hoffnungslos gestrandet. Angesichts der riesigen Herausforderungen, die die Auswanderer erwarteten, kamen den Hümmlingern ihre grundlegenden Eigenschaften zu Gute: Fleiß, Zähigkeit und Durchhaltewillen.

Die meisten von ihnen siedelten sich im mittleren Westen an und bildeten in den Orten kleine Gemeinschaften, in denen sie ihre katholische Religion und die plattdeutsche Sprache pflegten.

Holger Lemmermann ist es in hervorragender Weise gelungen, die Zuhörer zu fesseln und mit immer wieder eingestreuten Anekdoten und skurrilen Geschichten zu Namen, die heute noch in der Region weit verbreitet und den Zuhörern geläufig sind, sie zum Schmunzeln zu veranlassen.

Ein anhaltender Applaus belohnte seine Ausführungen.

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